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Politik: „Angela sollte stolz sein“

Das politische Berlin nimmt die Klimainitiative des US-Präsidenten eher kühl auf – in den USA wird sie als Schwenk gesehen

Es verträgt sich nicht mit den Gepflogenheiten der Diplomatie, auf weltpolitische Großinitiativen wichtiger Verbündeter mit einem schlichten „Frechheit!“ zu antworten. Aber der kühle Tonfall, mit dem die Bundesregierung auf den überraschenden Klimavorstoß von US-Präsident George Bush reagiert, ist schon deutlich genug. Bereits die erste Stellungnahme der Kanzlerin am Donnerstag sprühte nicht vor Begeisterung: Gewiss, es sei Bewegung in die Sache gekommen, sagt Angela Merkel; aber was die konkreten Formulierungen für den G-8-Gipfel in Heiligendamm angehe, „werden wir sicherlich noch ein Stück weiter arbeiten müssen“. Und: Wichtig sei, dass jede Klimainitiative in einen Prozess unter dem Dach der Vereinten Nationen münde. Dieser Punkt, setzt anderntags Merkel Sprecher Ulrich Wilhelm noch eins drauf, sei „nicht verhandelbar“.

Was auf den ersten Blick wie bloßes Beharren auf formalen Zuständigkeiten aussieht, beschreibt in Wahrheit die Welten, die nach wie vor zwischen Bushs und Merkels Klimapolitik liegen. Umweltminister Sigmar Gabriel, an diplomatische Rücksichtnahme nicht so gebunden wie die amtierende G-8-Vorsitzende, spricht die Sorge in einem Interview mit dem Deutschlandradio Kultur offen aus: Bushs Initiative sehe „ein bisschen so aus, als wolle die amerikanische Regierung den gesamten Prozess der Vereinten Nationen im Klimaschutz stoppen und einen Sonderweg gehen“. Falls das Ziel des Präsidenten nicht überhaupt nur darin bestehe, „über Heiligendamm hinwegzukommen“, ohne als Umweltsündenbock am Pranger zu landen.

Tatsächlich enthält Bushs Vorstoß Elemente, die solche Sorgen begründen könnten. Schon der Zeitpunkt, eine Woche vor dem G-8-Treffen, noch mehr Bushs Zeitrahmen nähren den Verdacht der Verzögerungstaktik. Bis Ende 2008 sollen sich nach den Vorstellungen des Präsidenten die größten Luftverschmutzer der Erde auf ein Klimaziel verständigen – just da endet Bushs Amtszeit. Das Klimaziel soll „ein globales Langfristziel“ sein. Zugleich sollen sich die einzelnen Nationen „mittelfristige nationale Ziele“ setzen – derlei Selbstverpflichtung anstelle verbindlicher Zieldaten ist genau das Gegenteil dessen, was die Bundesregierung in der Logik des Kyoto-Protokolls erreichen will. Und so richtig gut kommt es in Berlin auch nicht an, wenn Bush im ZDF-Interview die Kanzlerin gönnerhaft auf seinen Kurs mitzuzerren versucht: „Angela sollte stolz darauf sein, die Staatengemeinschaft auf diesen Weg zu führen.“

Auf der anderen Seite ist Merkel offenbar entschlossen, in Bushs Initiative so viel Positives wie möglich sehen zu wollen. So weist ihr Sprecher Wilhelm darauf hin, dass der Präsident die UN- Klimakonvention in seiner Rede erwähnt habe. Auch gilt es in Berlin angesichts der bisher geradezu offensiv ignoranten Haltung der US-Regierung schon als Fortschritt, dass Bush die drohende Erderwärmung überhaupt als ein von Menschen gemachtes Problem anerkennt. Dafür hat Wilhelm eine diplomatische Formel: „Alles, was Bewegung erzeugt, was zur weiteren Bewusstseinsveränderung führt, ist wichtig und richtig.“

Auch Merkels Klimaberater, der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Hans-Joachim Schellnhuber, will dem Vorschlag „auch Positives abgewinnen“. Immerhin zeige er, dass „die amerikanische Regierung beim Klimaschutz in Bewegung geraten ist“. Allerdings, fügt er hinzu, sei der Gipfel in Heiligendamm bereits die „Probe aufs Exempel, ob der Vorstoß ernst gemeint ist“. Denn dort säßen die größten Emittenten von Treibhausgasen bereits gemeinsam an einem Tisch.

Die US-Medien bewerteten Bushs Vorstoß als Schwenk in seiner Klimapolitik. Es sei „das erste Mal, dass die USA, der größte Produzent von Treibhausgasen, bereit seien, sich auf feste Reduzierungsziele zu verpflichten“, schreibt die „New York Times“. 2000 habe er noch das Faktum der Erderwärmung bezweifelt und gesagt: „Ich werde nicht zulassen, dass die USA die Last der Luftreinigung tragen, während China und Indien vom Kyoto-Vertrag ausgenommen sind.“

Am Donnerstag hatte Bush in einer Rede über „Amerikas globale Führungsrolle“ eine eigene Strategie zur Reduzierung der Emissionen vorgeschlagen, die den 2012 auslaufenden Kyoto-Vertrag ersetzen soll. Demnach sollen die 10 bis 15 Staaten, die gemeinsam für bis zu 80 Prozent der Treibhausgase verantwortlich sind, bis Ende 2008 gemeinsame „Langfristziele“ vereinbaren. China und Indien müssten Teil dieses Systems sein, sagte Bush.

Die „New York Times“ betont, es sei unklar, wie ernst Bush das Angebot meine. Sein Klimaberater James Connaughton habe nach der Rede erklärt, es gehe um „erstrebenswerte“ Ziele, nicht bindende. Jedes Land könne selbst entscheiden, ob es daraus eine bindende Verpflichtung mache. All das spreche dafür, Bushs Vorschlag „mit Zynismus zu betrachten“, kommentiert das Blatt. Er habe „herzerwärmende Rhetorik“ benutzt, um beim G-8-Gipfel nicht auf der Anklagebank zu sitzen. Der Zeitplan, die Klimaziele erst Ende 2008 zu vereinbaren, wenn der nächste US-Präsident gewählt werde, zeige: „Bush will die wahre Arbeit seinem Nachfolger hinterlassen.“

US-Umweltgruppen wie das Pew Center zum Klimawandel kritisierten, Bush sei immer noch keine bindenden Verpflichtungen eingegangen und verlange sie auch nicht von anderen. „Ohne feste Reduktionsziele werden wir das Problem nicht lösen.“ Auch die „Washington Post“ zeigt ihre Sympathie für die deutschen G-8-Klimaziele gegenüber Bushs Vorstoß: die Beschränkung der Erderwärmung auf zwei Grad über den Werten von 1750 sowie eine bindende Reduktion der Treibhausgase um 50 Prozent bis 2050 gegenüber 1990.

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