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Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen muss mit Gegenwehr rechnen

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Angriff auf die Verteidigungsministerin: Die Gegner von Ursula von der Leyen formieren sich

Alles an Ursula von der Leyen wirkt wie auf der Hut. Die Spannung steigt. Auch in ihr. Gegen die Verteidigungsministerin hat sich eine neue Allianz der Unwilligen formiert.

Horst Seehofer vergisst keine Demütigung. Er vergisst nur, wenn er will, aber diese nicht. Noch aus seiner Zeit als Staatssekretär unter einem Arbeits- und Sozialminister Norbert Blüm, und das ist ja nun wirklich lange her, weiß er zu berichten, wer was über ihn gesagt hat. Oder wie die Leute hinter seinem Rücken redeten, als er Landesvorsitzender des VdK war, des Verbands der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner. Meistens sagt er das mit breitem Grinsen, das ihm einerseits etwas Jungenhaftes gibt, andererseits etwas Wölfisches. All die Jahre hat er gespeichert, inhaltlich und auch sonst.

Das für Leyen kann nichts Gutes bedeuten

Das „auch sonst“ sollte allen Sorgen bereiten, die wiederum bei ihm Besorgnisse hervorrufen. Eine tut das gegenwärtig ganz besonders: Ursula von der Leyen, die Verteidigungsministerin. Denn sie durchkreuzt mit der Kritik an der Politik ihrer Vorgänger im Amt, darunter Karl-Theodor zu Guttenberg, unter anderem Seehofers Plan, den gefallenen Star der CSU ganz allmählich zu rehabilitieren und zu reintegrieren.

Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident mag es schließlich, wenn die Zahl derer, die für seine Nachfolge infrage kommen, von ihm abhängt. Nicht zuletzt von ihm. Und Guttenberg war lange einer von denen, die als Nachfolger genannt wurden. Er drängte sich förmlich auf. Seehofer weiß: Wenn die Zahl größer wird, kann er diejenigen, die sich Hoffnungen machen, gegeneinander ausspielen oder in Stellung bringen. Bei alledem, was ihm früher selbst geschah, hat er doch auch immer einen Blick dafür gehabt, was der Partei guttut, und was für die Partei besser sein kann.

So will Seehofer gewiss nicht gehen

Für die CSU kann es mit einem Guttenberg nur besser werden, schlechter nicht. Denn so will man doch nicht gehen, einer wie Seehofer gewiss nicht. Er sieht sich immerhin als der legitime Franz-Josef-Strauß- und Edmund-Stoiber-Erbe.

In diese Überlegungen hinein platzte Leyens Angriff. Jedenfalls wurde es so empfunden, dass an der Malaise der bedingt einsatzbereiten Bundeswehr die Herren der Vergangenheit schuld seien. Zwei der drei Gemeinten schwiegen in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, nachdem Leyen dort die Sprache darauf gebracht hatte, beide kommen von der CDU: Franz Josef Jung und Thomas de Maizière. Die dabei waren, empfanden ihr Schweigen als dröhnend. Leyen schien es nicht gehört zu haben.

An ihr Ohr gedrungen ist aber, dass Seehofer eigens nach Nürnberg reiste, um den 40-jährigen Bundestagsabgeordneten Florian Hahn zu unterstützen. Hahn soll in der CSU der Außen- und Sicherheitspolitik ein neues Gesicht geben, als Vorsitzender des außen- und sicherheitspolitischen Arbeitskreises. Und er führte sich sogleich forsch ein: mit der Forderung nach einem so genannten Weißbuch, einem, das schon 2015 vorliegen solle.

Das vertiefte Nachdenken über die Bedeutung weltpolitischer Phänomene für die Ausrichtung der Streitkräfte – darin liegt der Sinn eines Weißbuchs. Das erste erschien unter Helmut Schmidt im vorigen Jahrhundert, das bisher letzte im Jahr 2011. Hahn macht es in der konservativen „Welt“, der Bundeswehr traditionell zugetan, dringend: „Wir brauchen eine fundierte Grundlage für die strategische Aufstellung der Bundeswehr.“ Was für ihn bedeutet, dass dies nicht einfach nach Kassenlage und subjektiver Bedrohung geschehen kann. Mit seinen Worten blies Hahn unverkennbar zum Angriff. Die Forderung klang wie – eine Demütigung.

Leyens Aufstieg, rasant wie ein Düsenjäger, hat viele Neider hervorgerufen

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen muss mit Gegenwehr rechnen
Abwehrbereit. Ursula von der Leyen erscheint angestrengter dieser Tage. Ihr rasanter Aufstieg hat schon viele Neider hervorgerufen..

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Ja, Seehofer und Hahn, zwei von der Parteischwester, Koalitionsbrüder, auf die Leyen angewiesen ist. Aus dem eigenen Lager aber darf keine Stimme fehlen, weil sich sonst im Parlament die ermuntert fühlen könnten, die in ihr sowieso eher eine Gegnerin sehen. In der Opposition, das gewiss, aber auch in der Koalition, und dort beileibe nicht nur in der SPD. Die eigenen Reihen geschlossen zu halten – in der Verteidigung wie im Angriff ist das Voraussetzung. Da ist die Politik soldatisch.

Ihr Lächeln erscheint angestrengter

Ihr Lächeln erscheint angestrengter dieser Tage, ihre Kontur schärfer gezeichnet. Neulich, im Fernsehen, waren es ihre Augen, die auffielen. Groß, die Wimpern betont, milderten sie die Strenge, die sie umgibt. Wie die Hosenanzüge, die einer Uniform der weiblichen Macht gleichkommen. Die Kanzlerin trägt sie auch. In diesen Momenten, zeigt sich, wie fragil sie ist. Leyen formuliert öffentlich immer sehr gewählt, jetzt aber noch mehr mit Bedacht. Alles an ihr wirkt auf der Hut. Die Spannung steigt. Auch in ihr.

Ihr Aufstieg, rasant wie ein Düsenjäger, der in Sekunden in den Himmel steigt, hat ohnehin schon viele Neider hervorgerufen. Ganz besonders in der CDU, der Partei, bei der auf unterer Ebene immer noch viele „Bonzen“ herrschen, Paschas, die schon Helmut Kohl vom Thron stoßen wollten, damals, vor Jahrzehnten, noch im Verein mit Heiner Geißler. Diese Herrschaften mögen Seiteneinsteiger weniger, Seiteneinsteigerinnen schon gar nicht. Da brauchte es entschiedene Förderer wie Christian Wulff, die Leyen Ministerämter nicht nur zutrauten, sondern auch gaben. Dass sie noch dazu die Tochter eines vormaligen Granden der Partei ist, Ernst Albrecht, des stählernen Lächlers, an den sie durchaus erinnert, tut ein Übriges. Außerdem ihre Flexibilität: Wo sozialdemokratische Politik Erfolg versprach, übernahm sie, die Christdemokratin, ohne Rücksicht auf Verluste, wenn sie sich gesellschaftlichen Gewinn davon versprach. Für eine CDU im Wandel ist das Herausforderung wie Verheißung.

Schäuble erkannte ihr Potenzial

Der das als Erster sah, ist Wolfgang Schäuble, die gar nicht so graue Eminenz der Partei. Er, der schon alles gesehen hat, der selbst das Kanzleramt und die Partei führte und zu anderen Zeiten deren Ansprüche miteinander versöhnte; er, der immer modernisierte, ohne es so zu nennen, erkannte das Potenzial Leyens und förderte sie. Denn eine moderate CDU, die in die linke Mitte hineinreicht, die der ihre Begriffe nimmt und sie selbst besetzt, besetzt auf Dauer die Macht.

Das ist es, was der Schatzkanzler und Präside der CDU in Leyen sieht: geradezu eine politische Waffe. Das weiß Leyen, und deshalb versichert sie sich immer wieder des Rückhalts von Schäuble. Sie darf ihn nicht enttäuschen oder täuschen. Denn wenn er ihr den Rückhalt versagt, im Kabinett, in der CDU, wird sie in diesem klassischen großen Ressort verlieren. Dann bleibt ihr die größte Anerkennung versagt.

Es hat sich eine neue Allianz der Unwilligen gebildet

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen muss mit Gegenwehr rechnen
Abwehrbereit. Ursula von der Leyen erscheint angestrengter dieser Tage. Ihr rasanter Aufstieg hat schon viele Neider hervorgerufen..

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Doch so ein Weißbuch bedeutet viel Arbeit, neben allem anderen, das gerade in der Bundeswehr zu bewältigen ist. Denn es müssen in die laufenden Entwicklungen hinein Definitionen zur neuen Balance zwischen Landes- und Bündnisverteidigung wie auch zu den Auslandseinsätzen gefunden werden. Nicht nur Hahn von der CSU, sondern inzwischen auch die Truppe der SPD-Wehrpolitiker will wissen, welche Auswirkungen die Herausforderungen in Osteuropa und Nahost auf die militärische Zusammenarbeit in Europa haben.

Nicht nur für die Grünen ein Skandal

Überhaupt hat sich hier eine neue Allianz der Unwilligen gebildet. Sie reicht von der linken Opposition über die grüne bis hin zu den Koalitionären von SPD und CSU und kann Leyen in erhebliche Schwierigkeiten bringen. Die Verteidigungspolitiker sind ohnedies empört, weil jüngst Leyens Staatssekretär an alle schrieb, dass der Bundestag mindestens vorerst keinen „Bundeswehrplan“ mit Informationen über den Material- und Finanzbedarf mehr erhält. Die an dessen Stelle gerückte Finanzbedarfsanalyse habe einen deutlich stärkeren ressortinternen Charakter als der ehemalige Bundeswehrplan. Und deren Weitergabe sei „nicht vorgesehen“. Nicht nur für die Grünen ist das ein Skandal. Quer durch die Reihen wollen die Abgeordneten genau wissen, wohin es mit der Bundeswehr geht. Und sie fragen sich, wie es um Leyens Demokratieverständnis bestellt ist.

Zumal die Abgeordneten immer wieder Überraschungen mit ihr erleben. So, als Leyen am Tag der deutschen Einheit Pläne für eine deutsch-französische Mission im Rahmen der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, zur Überwachung der russisch-ukrainischen Grenze ankündigte. Eine Mission mit Drohnen, die mögliche Entsendung einer Schutzkompanie eingeschlossen. Da wirkte es so, als wolle die Regierung Kampfsoldaten an die Grenze zu Russland schicken. Leyens Ministerkollege fürs Auswärtige, Frank-Walter Steinmeier, war entsetzt, auch erbost, weil nichts dergleichen abgesprochen war. Er reagierte aber öffentlich nur schmallippig, der höheren Diplomatie wegen. Es könne vielleicht eine „bewaffnete Begleitung der Betriebsmannschaften“ geben, sagte Steinmeier, aber davor stünden noch rechtliche Hindernisse. Praktische allerdings auch: Die Drohnen können, wie sich herausstellte, bei tiefen Temperaturen nicht eingesetzt werden. Wie demütigend für die, die den Vorschlag gemacht haben, denken die Experten im Parlament.

Im Macho-Ministerium lernen sie Leyen kennen

Das alles wissen sie natürlich im Ministerium, einem Macho-Ministerium. Seine Bedeutung ist ihm gewissermaßen in die DNA eingraviert: Hier geht es um Leben und Sterben, um hunderttausende Menschen und Milliarden Euro, um Waffen. Alles seit Ewigkeit Männersachen. Die hohen Beamten und Offiziere kennen jeden Posten, auch im Einzelplan 14, wie der Wehretat heißt, die Ministerin lernen sie gerade erst kennen. Dass Leyen eine offen lesbisch lebende, junge Unternehmensberaterin zur Staatssekretärin für Rüstung ernennt, die dann auch noch alles umbauen will, wirkt da wie eine Kampfansage. Manche im Ministerium sagen: wie ein Brandbeschleuniger. Zumal Leyen sich nur nach außen hin so offen gibt. Wer zu ihr in den Ministertrakt will, der musste sich jetzt eine neue Zugangsberechtigung verschaffen.

Auch der als Entlastung gedachte Vorstoß einer „Attraktivitätsoffensive“ für die Streitkräfte, eines der für Leyen persönlich wichtigen Projekte, ist nur vordergründig gerettet. Es gab zwar die Meldung darüber, dass sich das Finanzressort mit dem Ministerium geeinigt habe. Aber die Kosten für das so genannte Artikelgesetz aus 23 Maßnahmen müssten komplett aus dem laufenden Verteidigungshaushalt gedeckt werden, erklärte das Ministerium von Wolfgang Schäuble, dem Hüter der schwarzen Null. Was nach Nullsummenspiel klingt. Eine Erhöhung des Wehretats wird es nämlich nicht geben – und das gilt für die gesamte Legislaturperiode. Für 2015 plant Leyen 119 Millionen Euro, ab 2016 mit mehr als doppelt so viel. Schäuble zwang die Kollegin zum erneuten Rechnen.

Mit solcher Gegenwehr muss, im übertragenen Sinn, die Verteidigungsministerin jetzt immer wieder rechnen. Und mit Horst Seehofer sowieso. Der ja weiß, wie man Menschen hinter sich schart. Als Vdk-Chef steigerte er dessen Mitgliederzahl in Bayern von April bis November 2005 um 20 000. Von Ursula von der Leyen sind solche Heldentaten nicht überliefert.

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