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Politik: Angst vor dem Bürgerkrieg

Palästinensische Sicherheitskreise sehen Eskalation der Krise zwischen Hamas-Regierung und Präsidenten

Der innerpalästinensische Dialog steht still. Die Hamas-geführte Regierung wies am Wochenende ein Ultimatum von Präsident Mahmud Abbas zurück und ließ ihre Truppen im Gazastreifen erneut aufmarschieren. Abbas selbst will seine Präsidialgarde auf 10 000 Kämpfer ausbauen. Bereits am Samstag hatten bewaffnete Mitglieder der neuen, 3000 Mann starken Sicherheitstruppe der Regierung wieder Positionen vor Krankenhäusern, Regierungsgebäuden und auf Märkten im Gazastreifen bezogen, die sie am Vortag auf Befehl von Innenminister Said Siyam geräumt hatten. Jedoch waren keine Milizionäre entlang den Hauptstraßen und großen Plätzen zu sehen, wo es zu Gefechten mit der Fatah-Miliz und anderen Sicherheitskräften gekommen war.

Die von Abbas verbotene Miliz marschierte direkt danach auf, nachdem der „Nationale Dialog“ zwischen Vertretern der Hamas und der Fatah-Partei des Präsidenten abgebrochen worden war. Hamas-Sprecher Sami Abu-Zuhri sagte, man habe sich nicht auf einen Treffpunkt für die Fortsetzung der Gespräche einigen können, weil „die Bildung des Verhandlungskomitees nicht abgeschlossen ist“. Hamas hatte zuvor ein Ultimatum des Präsidenten zurückgewiesen. Abbas hatte von der Regierung verlangt, das so genannte „Gefangenen-Dokument“ innerhalb von zehn Tagen zu akzeptieren, sonst werde er ein Referendum darüber abhalten lassen. Das von führenden palästinensischen Häftlingen wie dem Fatah-Kommandanten Marwan Barghuti in israelischen Gefängnissen ausgearbeitete und von den wichtigsten Hamas-Häftlingen mitunterzeichnete Dokument verlangt einen unabhängigen Staat Palästina in den Grenzen von 1967, mit Jerusalem als Hauptstadt. Dies käme einer Anerkennung Israels gleich, was Hamas ablehnt. Hamas sowie der Islamische Dschihad sollten der Dachorganisation „Palästinensische Befreiungsorganisation“ (PLO) beitreten, wird gefordert. Zudem soll die PLO und nicht die Autonomieregierung die Verhandlungen mit Israel führen.

Abbas’ Drohung mit einem Referendum beeindruckt Hamas aber nicht. Zwar würde wohl ein großer Teil der Bevölkerung dem „Gefangenen-Dokument“ zustimmen. Doch die Hamas-geführte Regierung kann eine Volksabstimmung jederzeit verhindern. Allerdings hatte Hamas-Premier Ismail Hanija zuletzt von der Möglichkeit gesprochen, dass große Teile des „Gefangenen-Dokumentes“ als Grundlage für den innerpalästinensischen Dialog dienen könnten, also Hamas bereit sei, mit Fatah darüber zu diskutieren. Doch über die Zusammensetzung des entsprechenden Verhandlungskomitees konnte man bisher offensichtlich keine Einigung erzielen.

Bei Fatah und in Abbas’ Umgebung herrscht jetzt Pessimismus. Ein Offizier des Fatah-Sicherheitsdienstes sagte der britischen „Sunday Times“, ein Bürgerkrieg sei „unvermeidbar“. Hamas plane einen Putsch gegen Abbas. Dieser wiederum will die ihm unterstellte Präsidialgarde von etwa 1500 auf 10 000 Mann ausbauen. Bisher ist die Truppe weitgehend auf den Schutz des Präsidenten beschränkt. Abbas will nun mit einer unabhängigen Truppe den Sicherheitskräften der Hamas sowie der Fatah ihre Grenzen aufzeigen, die Grenzübergänge sichern und den Abschuss von Kassam-Raketen gegen israelische Ortschaften verhindern. Zunächst hatte Israel die begrenzte Aufrüstung der Präsidialgarde mit von arabischen Staaten gelieferten leichten Waffen bewilligt. Nun fordert Abbas erheblich umfangreichere Waffenlieferungen. Doch in israelischen Sicherheitskreisen befürchtet man, dass die Waffen nicht nur bei der Fatah, sondern auch bei Hamas landen – und gegen Israelis eingesetzt werden könnten.

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