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Politik: Angst vor dem Geld der Oligarchen

Russlands Staatsanwälte gehen seit Wochen gegen Manager des Ölkonzerns Jukos vor. Dessen Chef Chodorkowski unterstützt nämlich die Reformer

Der Wirtschaftsberater von Präsident Wladimir Putin schlug ungewohnt scharfe Töne an: Der derzeitige Interessenkonflikt in Russland könnte bis zum Bürgerkrieg führen, warnte Andrej Illarionow. Gemeint sind die Vorgänge um den Ölkonzern Jukos, gegen dessen Topmanager wegen Unregelmäßigkeiten bei der Privatisierung ermittelt wird. Zur Debatte steht nicht weniger als eine neue Umverteilung des Eigentums. Putins Petersburger Landsmannschaft – politisch einflussreich, doch ohne Zugriff auf wirtschaftliche Ressourcen – steht dabei den Oligarchen gegenüber, die um ihre Besitzstände fürchten.

Erst vor kurzem haben die Fahnder der russischen Generalstaatsanwaltschaft das Gebäude des Ölkonzerns Jukos durchsucht. Gesucht wurden Beweise für Unregelmäßigkeiten bei der Privatisierung der Ölindustrie nach der Wende. Ein hochrangiger Manager wurde festgenommen. Auch Jukos-Chef Michail Chodorkowski musste bereits ausssagen. Beobachter vermuten nun, dass der Kreml mit dem Vorgehen gegen Jukos einseitig einen Pakt gekündigt hat, den er mit dem Großkapital gleich nach seiner Wahl geschlossen hatte: Verzicht auf politische Ambitionen gegen Besitzstandsgarantien. Nach geltendem Gesetz können die Ergebnisse der Privatisierung nämlich innerhalb von zehn Jahren überprüft und revidiert werden, falls es dabei Unregelmäßigkeiten gab.

Der Tipp, Chodorkowskis Leute unter die Lupe zu nehmen, kam übrigens von einem Abgeordneten der kremlnahen Partei „Einiges Russland“. Für unabhängige Beobachter ein Indiz dafür, dass Putins Hausmacht, die bei der ersten Umverteilung von Besitz Mitte der Neunziger außen vor blieb, auf Revanche drängt.

Doch die Offensive gegen einen der bekanntesten Oligarchen des Landes hat auch politische Gründe: Chodorkowski hat angekündigt, er werde bei den Dumawahlen im Dezember die oppositionellen Reformparteien unterstützen. „Wenn wir eine demokratische Gesellschaft aufbauen wollen“, sagte er der Zeitung „Wedomosti“ schon im April, „müssen solche Parteien über mindestens 30 Prozent der Sitze im Parlament verfügen“.

Der Kreml ist nun seinerseits bemüht, der Suche der Oligarchen nach „Alternativen jenseits der von Putin festgelegten Spielregeln die Grenzen zu zeigen“, sagt die Politologin Lilija Schewzowa. Und ihr Kollege Walerij Fjodorow ahnt: Die Treibjagd werde Chodorkowski dazu veranlassen, die sozialliberale „Jabloko“-Partei zur realen Alternative bei den Wahlen hochzurüsten.

Momentan liegt die Truppe um Wirtschaftsreformer Grigorij Jawlinski in den Umfragen allerdings noch in gefährlicher Nähe zur Sperrklausel. Genauso wie die ebenfalls von Chodorkowski unterstützte liberale „Union der rechten Kräfte“. Eine Fusion der beiden Parteien oder wenigstens eine Allianz – vom Wahlvolk befürwortet – scheiterte bisher an Kompetenzgerangel und persönlichen Rivalitäten der Führer.

In Moskau wird indes auch nicht ausgeschlossen, dass Chodorkowski, dergestalt in die Enge getrieben, selbst Ansprüche auf den Chefsessel im Kreml anmelden könnte. Immerhin streute er bereits, er werde sich 2007 aus dem Business zurückziehen. Russlands Verfassung erlaubt dem Präsidenten nur zwei Amtszeiten. 2008 käme so für Putin definitiv das Aus. Chodorkowski wäre dann 44 und hat bisher nicht zu erkennen gegeben, dass er sich auf eine Frühverrentung freut.

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