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Politik: Angst vor dem Wähler

Auch bei der Union sinken die Umfragewerte. Einer der Gründe: der Dauerstreit um die Reformprojekte

Berlin – Die Umfragewerte der Union sahen schon einmal besser aus. Eine Woche vor den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen ist eingetreten, was einige in der Parteiführung schon länger mit Sorge beobachten. Unter der Unzufriedenheit der Wähler leiden nicht nur die Sozialdemokraten, der Frust entlädt sich – wenn auch weniger deutlich spürbar – ebenfalls bei der CDU. Die Wähler bleiben einer Partei nicht mehr unbedingt treu, bis kurz vor der Wahl sind sie unentschieden, ob und wo sie ihr Kreuz machen sollen. „Das bürgerliche Lager droht mittelfristig ähnlich zu zerfasern wie die SPD“, warnt Unions-Fraktionsvize Friedrich Merz im „Spiegel“.

Eine unionsinterne Studie benennt nach Angaben der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS) die Gründe, warum die „hervorragenden demoskopischen Werte“, welche die Union seit Jahresbeginn hatte, mittlerweile gesunken seien. Die Bevölkerung habe den Eindruck, dass die Union kein klares Konzept habe. Über ihre Reformprojekte zerstreite sich die Partei. Außerdem erwarteten die Bürger, dass mit der Union harte soziale Kürzungen auf sie zukämen.

Überraschend kommt diese Analyse nicht: In der Gesundheitspolitik stehen wichtige Weichenstellungen noch aus, CDU und CSU konnten sich bisher noch nicht auf ein gemeinsames Konzept für den Umbau der Sozialsysteme einigen. Die Union bestritt außerdem einen guten Teil des Sommertheaters – mal mit dem Zwist über den Kündigungsschutz, mal mit heftigen Streitereien über den richtigen Kurs in der Sozialpolitik, von der Gesundheitsprämie bis hin zu den Arbeitsmarktreformen Hartz IV. Der Appell von CDU-Parteichefin Angela Merkel blieb ungehört: Vor zwei Monaten, unmittelbar bevor sie in den Sommerurlaub ging, hatte Merkel ihre Partei zu mehr Geschlossenheit gemahnt.

Dass die Streitereien aber auch mal wieder ein Ende haben müssten, verlangt nun ausgerechnet der CDU-Politiker Friedrich Merz, selber selten um offene und kritische Worte verlegen. Merz mahnte die Parteikollegen am Wochenende: „Wenn wir 2006 die Bundestagswahl gewinnen sollen, sollten wir „friendly fire“ schnellstmöglich einstellen.“ Zwar nicht namentlich angesprochen, zielt das unter anderem auf den CSU-Sozialexperten Horst Seehofer („Die Gesundheitsprämie ist ein Sympathiekiller“). Für Merz ist die „kritische Grenze“ überschritten, „wenn die Kronzeugen aus den eigenen Reihen dem politischen Gegner falsche Argumente und griffige Formulierungen liefern“. Bei einer „verschwindend kleinen, manchmal etwas lautstarken Minderheit“ in der Partei finde Gegnerbeobachtung nur noch in den eigenen Reihen statt.

Ein neuer Anlauf zu mehr Geschlossenheit also? Auch Merkel forderte am Wochenende ihre Partei auf, die Hartz IV-Reformen zu unterstützen, welche die Union im Bundesrat mitgetragen hat. Man dürfe nicht jeden Tag Verbesserungsvorschläge einbringen, sagte Merkel nach einer Tagung der CDU-Arbeitnehmervereinigung. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, die CDU gehe „weg von dem Beschluss“. Eine Aufforderung, die zumindest der neugewählte saarländische Ministerpräsident Peter Müller prompt ignorierte, als er sich im „Tagesspiegel am Sonntag“ für weitere Korrekturen aussprach.

Ob in erster Linie ein geschlosseneres Erscheinungsbild notwendig ist oder aber auch andere Akzente im Reformkurs gesetzt werden müssen, darüber ist die Union uneins. Hessens Ministerpräsident Roland Koch etwa hält es für „notwendig, dass wir klar machen, dass wir die Kraft und auch die Entschlossenheit haben, Politik auch in schwieriger Zeit zu vertreten“, sagte er im Deutschlandfunk. „Die Union darf nicht zaudern“, sagte auch Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff der FAS. Manch einer würde die Union jedoch gerne „sozialer“ erscheinen lassen – etwa Nordrhein-Westfalens CDU-Chef Jürgen Rüttgers, der in NRW noch Wahlkämpfe zu bestreiten hat.

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