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Politik: Angst vor einem Abenteuer

Die Europäische Union tut sich schwer mit der Bitte der UN, die Blauhelmtruppe in Kongo zu unterstützen

Brüssel/Berlin - Im Dschungel der Politik hat sich Horst Brauß schon oft durchgeschlagen. Der 52-jährige Brigadegeneral der Bundeswehr diente unter anderem bei der deutschen Sfor-Truppe in Sarajewo und seit vergangenem Herbst in der „zivilmilitärischen Zelle“ des EU-Ministerrats. Die Aufgabe, der er sich am Freitag stellen muss, ist für den gebürtigen Heidelberger dennoch besonders heikel. Der deutsche General soll die Vertreter der 25 EU-Mitgliedstaaten im sicherheitspolitischen Komitee des EU-Ministerrats beraten. Denn sie müssen entscheiden, ob die Europäische Union Truppen in die Demokratische Republik Kongo schicken soll, um vor und nach den geplanten Wahlen Ende April die Lage zu stabilisieren. Brauß ist erst vor wenigen Tagen aus Kongo zurückgekehrt. Er hat im unruhigen Osten des Landes die Lage erkundet.

Ausgelöst wurde die neue Betriebsamkeit in Brüssel durch einen Brief des stellvertretenden UN-Generalsekretärs Jean- Marie Guéhenno vom 27. Dezember. Darin bitten die UN die Europäische Union um Unterstützung für die Blauhelmmission Monuc. In den vergangenen Monaten haben 17 000 Soldaten, überwiegend Inder, Pakistaner, Nepalesen und Südafrikaner, die Bürgerkriegsparteien getrennt und zur Waffenruhe gezwungen. Der Einsatz kostet die UN eine Milliarde Dollar im Jahr. In New York macht man sich Sorgen, dass „vor, während oder unmittelbar nach den Wahlen wieder Gewalt ausbrechen“ könnte, heißt es in dem Brief der UN. Deshalb bitten sie um eine „Abschreckungstruppe“ der EU. Sie verweisen auf den Erfolg der „Operation Artemis“ der EU im Jahr 2003, als ein kleine schlagkräftige EU-Truppe unter französischer Führung die Massaker in der Ituri-Region um Bunia schnell beendete. Zur Abschreckung könne es, heißt es in dem Brief, dieses Mal ausreichen, wenn die EU bewegliche Einsatztruppen als „Reserve“ bereitstellte, um die Monuc-Blauhelme unterstützen zu können. Die schnelle EU-Eingreiftruppe müsse nicht in der Krisenregion selbst stationiert werden, sondern in Kinshasa oder in einem Nachbarstaat.

Die Bereitschaft, dieser Bitte zu entsprechen, hält sich dennoch in Grenzen. Die Belgier, als ehemalige Kolonialmacht, haben abgewinkt. „Zu sehr durch die Vergangenheit belastet“, heißt es auch im Europaparlament. Auch die afrikaerfahrenen Franzosen wollen auf keinen Fall die Hauptlast tragen. Sie würden wohl am liebsten, argwöhnen einige Politiker in Berlin, die Deutschen an die Kongo-Front schicken. Doch auch die Bundesregierung fasst den UN-Bittbrief mit spitzen Fingern an. Grundsätzlich wollte Verteidigungsminister Franz Josef Jung eine Beteiligung der Bundeswehr „gemeinsam mit anderen EU-Partnern“ nicht ausschließen. Eine Entsendung der von der Bundeswehr geführten „EU-Battlegroup“ komme aber nicht in Frage. Diese schnelle Einsatztruppe befindet sich noch im Aufbau.

Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Hartwig Fischer und seine Kollegin Anita Schäfer sind gerade aus Kongo zurückgekommen. Fischer sagte dem Tagesspiegel: „Zum ersten Mal bringe ich Optimismus mit.“ Es war sein fünfter Besuch. Ihn stimmt es zuversichtlich, dass im Dezember ein Referendum über eine neue Verfassung stattgefunden hat, an der zwei Drittel der Bevölkerung teilgenommen haben. 82 Prozent stimmten der Verfassung zu. Denn alle wussten: Das ist der entscheidende Schritt zu Wahlen. Den ersten seit mehr als 40 Jahren.

Am 29. April soll die erste Runde der Präsidentschaftswahlen und die Parlamentswahl stattfinden. Die wichtigsten Kandidaten stehen fest: Neben Joseph Kabila, der 2001 nach der Ermordung seines Vaters die Erbfolge als Präsident antrat, stehen zwei frühere Rebellenführer zur Wahl. Der von Ruanda unterstützte Azarias Ruberwa und der von Uganda unterstützte John Pierre Bemba; beide sind derzeit Vizepräsidenten der Übergangsregierung. Zudem tritt der Oppositionspolitiker Etienne Tshisekedi an.

Ob die Bundeswehr die Monuc-Truppe unterstützen soll, darauf will sich weder Fischer noch Schäfer festlegen. Schäfer sagte dem Tagesspiegel: „Da die Bundeswehr keine Ausbildung im Anti-Guerilla-Kampf hat, kommen eigentlich nur logistische Aufgaben in Frage.“

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