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Politik: Angst vor einem zweiten Ruanda

Im Osten des Kongo tobt ein Krieg im Bürgerkrieg. UN-Chefanklägerin Del Ponte warnt vor einem Genozid. Diesmal wollen die Vereinten Nationen eine Truppe schicken

Zwei Volksgruppen in Ostafrika stehen sich im Hass gegenüber, ohnmächtig schauen die Blauhelme der UN zu – Erinnerungen an die Szenen in Ruanda im Jahr 1994 werden wach. Das Morden in der Ituri-Provinz in der Demokratischen Republik Kongo könnte ein Genozid werden, warnte daher die UN-Chefanklägerin, Carla del Ponte. In Ruanda fielen 1994 dem Morden 800 000 Menschen in vier Monaten zum Opfer, aber auch in Ituri im Nordosten des Kongo hat es in den vergangenen vier Jahren 50 000 Tote und eine halbe Million Vertriebene gegeben – ein Krieg im Bürgerkrieg.

Am vergangenen Freitag hat Joseph Kabila, der Präsident des Landes, alle Anführer der fünf verfeindeten Privatarmeen dieser kleinen Provinz mit nur 4,5 Millionen Einwohnern zur Unterzeichnung eines Waffenstillstandes bewegt. Erschienen waren Vertreter der in der Ituri-Hauptstadt Bunia vorherrschenden Hema-Miliz UPC, der mit ihr verfeindeten Lendu-Armee sowie dreier weiterer Splittergruppen. Doch niemand traut dem Waffenstillstand wirklich – zu viele sind schon gebrochen worden. So glich die 300 000-Einwohnerstadt Bunia am Sonntag einer Geisterstadt. 80 Prozent der Bürger derStadt sollen geflohen sein; sie wissen, dass die 700 nur leicht bewaffneten UN-Soldaten aus Uruguay ihnen nicht helfen können.

Die Auseinandersetzungen zwischen den ackerbauenden Lendu, bei weitem die Bevölkerungsmehrheit, und den viehzüchtenden Hema haben die Region zu einer der unsichersten Gegenden der Welt gemacht. Die ethnischen Konflikte gewannen durch eine umstrittene Landreform des kongolesischen Diktators Mobutu Sese Seko im Jahr 1973 an Schärfe. Die Lendu klagen seitdem, dass ihnen die Hema den Boden streitig gemacht haben. Heute sind die Hema häufig die Arbeitgeber der Lendu. Parallelen zum Konflikt zwischen den bäuerlichen Hutu und den viehzüchtenden Tutsi in Ruanda drängen sich auf.

Zunächst gab es den Streit um Land, aber erst der Ausbruch des kongolesischen Bürgerkrieges Ende 1998, als sich im Ostkongo Widerstand gegen den Mobutu-Nachfolger Laurant Kabila – Vater des heutigen Präsidenten – rührte, hat Ituri zum Schauplatz fürchterlicher Massaker gemacht. Uganda und Ruanda schickten Truppen, beide Nachbarländer unterstützen abwechselnd verschiedene Milizen mit Waffen und Geld. Ausländer können sich in der Region nur mit Schutz aufhalten. Viele internationale Helfer wurden getötet. Jüngste Opfer sind zwei der 625 in Ituri stationierten UN-Beobachter. Ihre verstümmelten Leichen wurden am Sonntag gefunden.

Experten warnen, den Konflikt als rein ethnisch zu betrachten. So ziehe Uganda „in Ituri die Fäden", sagt der in Kinshasa arbeitende Journalist Ipakala Abeiye, „um die goldreiche Provinz auszubeuten". Dass ugandisches Militär am Raubzug – etwa dem Diamantenschmuggel – beteiligt war, ist unbestritten. Dem Abzug der 6000 ugandischen Soldaten aus Ituri vor knapp zwei Wochen folgten Chaos und der Wiedereinzug der UPC-Miliz in Bunia. Frankreich bot die Entsendung von 1000 Soldaten an, eine Erkundungseinheit traf am Sonntag im Kongo ein. Die zwölf Soldaten sollen den Einsatz der vom Sicherheitsrat beschlossenen Notfalltruppe vorbereiten, an der sich nach Aussage des EU-Außenbeauftragten Javier Solana möglicherweise auch EU-Staaten beteiligen werden.

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