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Politik: Angst vor weißem Fleisch

Nach dem Vogelgrippe-Alarm in Rumänien und der Türkei dringen EU-Länder auf gemeinsames Vorgehen

Berlin - In Italien ist der Verkauf von Geflügelfleisch bereits um 40 Prozent gesunken. Den Deutschen hingegen scheint der Appetit auf Hähnchen und Pute trotz des Vogelgrippe-Alarms in Rumänien und der Türkei vorerst nicht vergangen zu sein. „Man hört es am Markt, dass es kein Thema ist“, sagt Werner Böttcher von der Zentralen Markt- und Preisberichtsstelle für Erzeugnisse der Landwirtschaft. Und bedankt sich bei den Medien, für deren „sachliche“ Berichterstattung.

Aber was heißt schon sachlich. Als Anfang 2004 Bilder von der Vernichtung ganzer Hühnerbestände in Asien über die Bildschirme flatterten, habe der Verbrauch durchaus „gewackelt“, räumt der Referatsleiter ein. Solche Bilder wird es bald wieder geben – aus Europa. Um die Ausbreitung der Vogelgrippe in Westsibirien zu verhindern, würden alle 460000 Tiere einer Geflügelfarm bei dem Ort Kurgan getötet, berichtet die russische Agentur Interfax. In der Türkei wurden nach dem aktuellen Alarm tausende Puten mit Gas getötet. Und im rumänischen Dorf Ceamurlia des Jos im Süden des Donaudeltas geht das Metzeln nach der Notschlachtung von 30000 Vögeln weiter – trotz heftiger Proteste der Dorfbewohner.

Die Angst vor Ansteckung und Ausbreitung des Vogelgrippevirus ist riesig – obwohl bislang noch gar nicht klar ist, ob es sich bei den Fällen in der Türkei und in Rumänien tatsächlich um das hochgefährliche H5N1-Virus aus Asien handelt. An dem seit 2003 grassierenden Erreger sind in Vietnam, Thailand, Kambodscha und Indonesien bereits mehr als 60 Menschen gestorben. Sollte es so mutieren, dass es von Mensch zu Mensch übertragbar wird, könnte eine weltweite Epidemie mit vielen tausend Toten die Folge sein, warnt die Weltgesundheitsorganisation WHO.

Im Frankfurter Uni-Klinikum arbeitet deshalb ein Team aus fünf Ländern mit Hochdruck an einem Impfstoff für Menschen. Erste Ergebnisse erwarten die Forscher allerdings nicht vor Ende nächsten Jahres. So hilft vorerst nur Abschottung. Da es keinen legalen Handel mit Geflügel aus Rumänien und der Türkei gibt, warnen die Experten des Bundesforschungsinstituts für Tiergesundheit vor allem vor illegalen Importen. Und vor Infektionen bei Reisen in die nordwestliche Türkei oder ins beliebte rumänische Donaudelta.

In der Türkei spielen die Behörden die Gefahr herunter. Landwirtschaftsminister Mehdi Eker spricht von „maßlosen Übertreibungen“ und einem einzigen nachgewiesenen Fall von Vogelgrippe. Mit dem Importverbot der EU könne das Land leben, der Export von „weißem Fleisch“ betrage gerade mal 4000 Tonnen. Intern freilich drohen die Behörden denen, die ihr Geflügel nicht zur Tötung herausgeben, mit drastischen Strafen.

Die EU lässt sich von der türkischen Beschwichtigung nicht beeinflussen – und hat ihren Importstopp bereits am Montagabend erweitert. Verboten ist nun auch die Einfuhr lebender Vögel und unbehandelter Federn. Vor Maßnahmen gegen Rumänien wollte die EU-Kommission erst noch weitere Tests abwarten. Doch die Mitgliedsländer machen Druck, insbesondere Italien und Frankreich. Ein gemeinsames und organisiertes Vorgehen sei nötig, „damit nicht ein Land dieses tut und das andere jenes“, drängt Frankreichs Außenminister Philippe Douste-Blazy. „Das Vogelgrippevirus ist dabei, sich zu verbreiten und kommt vor unseren Türen an.“

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