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Politik: Angst vorm Superstaat

SPD-Politiker sehen Vorschlag von Frankreichs Präsidentschaftskandidatin Royal zur EU mit Skepsis

Berlin - Am vergangenen Sonntag hat Frankreichs Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal ihr Programm vorgestellt – allerdings blieb der erhoffte Schub in den Meinungsumfragen für die Sozialistin aus. Zu dem Hundert-Punkte-Programm der einstigen „Madonna der Umfragen“ zählt auch der Vorschlag eines Sozialprotokolls, mit dem die soziale Absicherung der EU-Bürger verbessert werden soll. Bei SPD-Politikern in Deutschland löst der Vorschlag eines solchen Protokolls, mit dessen Hilfe die vor knapp zwei Jahren bei einem Referendum in Frankreich abgelehnte Verfassung an Popularität gewinnen soll, Skepsis aus. „Ich habe meine Zweifel daran, ob das zustande kommen kann“, kommentierte der SPD- Europaabgeordnete Klaus Hänsch im Gespräch mit dem Tagesspiegel am Sonntag die Idee, ein Sozialprotokoll an eine Neufassung des Verfassungsvertrages anzuhängen. Hänsch war seinerzeit Mitglied des EU-Verfassungskonvents, der das Vertragswerk in den Jahren 2002 und 2003 ausgearbeitet hatte.

Auch die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, Angelica Schwall-Düren, äußerte sich zurückhaltend zur Idee eines Sozialprotokolls: „Ich kann mir vorstellen, dass eine solche Erklärung helfen würde“, sagte sie dieser Zeitung. Sie fügte aber einschränkend hinzu: „Die EU darf kein Superstaat werden.“ Die Forderung nach verstärkten Kompetenzen für die EU bei der Sozialgesetzgebung ist deshalb heikel, weil dieser Bereich vor allem Sache der Nationalstaaten ist.

Neun Wochen vor der ersten Runde der Präsidentschaftswahl in Frankreich suchen die SPD und die französischen Sozialisten derweil nach einer gemeinsamen Position in der Europapolitik. Frankreichs Sozialisten sind in ihrer Haltung zum weiteren Vorgehen beim EU-Verfassungsvertrag gespalten. SchwallDüren sagte, sie erwarte die baldige Verabschiedung eines gemeinsamen Papiers der SPD und der französischen Sozialisten zur Zukunft Europas. Jacques-Pierre Gougeon, der deutschlandpolitische Berater des französischen Sozialistenchefs François Hollande, teilte indes mit, die Vorstellung der Erklärung sei nicht vor März oder April zu erwarten. Fest steht immerhin, dass das Papier nicht während des Anfang März geplanten Berlin-Besuchs von Ségolène Royal präsentiert werden soll – schließlich betrachtet die Kandidatin der Sozialisten dies nicht als ihre Aufgabe, sondern als die ihres Lebensgefährten François Hollande.

Aus der gemeinsamen europapolitischen Erklärung der SPD und der französischen Sozialisten soll nach den Worten der SPD-Politikerin Schwall-Düren auch hervorgehen, „dass wir in der EU institutionelle Reformen brauchen, damit wir optimal agieren können“. Solche Reformen sind Teil des vorliegenden Textes der EU-Verfassung. Hänsch warnte vor einer Verwässerung der SPD-Position in dem Papier mit den Sozialisten: „Es darf nicht untergehen, dass die SPD für den Verfassungsvertrag ist.“

Frankreich spielt beim weiteren Vorgehen in der EU-Verfassungskrise nach dem „Non“ im Jahr 2005 eine entscheidende Rolle. Allerdings vermisst Hänsch bei den französischen Parteifreunden genaue Aussagen darüber, was ihnen am vorliegenden Vertragstext nicht gefällt: „Die Franzosen müssen uns ganz konkret die Punkte benennen, bei denen ihrer Ansicht nach der Verfassungsvertrag geändert werden muss. Diese konkrete Auskunft gibt es bisher nicht.“

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