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Politik: Ankara rechnet mit Einsatz vor Dezember

Türkei bereitet sich auf amerikanischen Aufmarsch vor / US-Repräsentantenhaus gibt Bush Vollmacht

Istanbul/Moskau. Die Türkei bereitet sich darauf vor, schon in den nächsten Wochen zum Aufmarschgebiet amerikanischer Truppen vor einem Angriff auf den Irak zu werden. Außenminister Sükrü Sina Gürel sagte in einem Zeitungsinterview, die US-Militäraktion werde möglicherweise noch vor Dezember beginnen. US-Militärflugzeuge transportieren bereits Bomben und Munition zum Luftwaffenstützpunkt Incirlik im Süden der Türkei, wie der gut informierte türkische Fernsehsender NTV am Donnerstag meldete. In den kommenden Tagen werden zudem US-Militärexperten in der Türkei erwartet, um Incirlik und andere Luftwaffenbasen in der Nähe der irakischen Grenze zu inspizieren. Die türkische Armee versetzte ihre Truppen im Grenzgebiet in erhöhte Einsatzbereitschaft.

Nach einem kurzfristig einberufenen „Irak-Gipfel" der politischen und militärischen Führung in Ankara meldeten türkische Medien, die USA hätten angefragt, ob sie die Stützpunkte Incirlik, Diyarbakir und Erhac bei Malatya für Angriffe auf den Irak nutzen dürften. Die drei Luftwaffenbasen dienten den Alliierten bereits im Golfkrieg 1991 als Basis .

In fester Erwartung eines baldigen Krieges treibt auch der türkische Rote Halbmond seine humanitären Vorbereitungen voran. In den vergangenen Tagen trafen in Diyarbakir tausende Zelte ein, in denen irakische Flüchtlinge untergebracht werden könnten. Nach den türkischen Plänen sollen die Flüchtlinge nicht wie nach dem Golfkrieg 1991 in der Türkei, sondern auf der irakischen Seite der Grenze in Auffanglagern versorgt werden. In einer ersten Welle sei mit etwa 80 000 Menschen zu rechnen, doch könne die Zahl der Flüchtlinge bei einem langwierigen Krieg eine halbe Million erreichen.

Das US-Repräsentantenhaus ermächtigte unterdessen Präsident George W. Bush zu einer möglichen Militäraktion gegen den Irak. Die entsprechende Resolution wurde am Donnerstag in Washington mit der klaren Mehrheit von 296 gegen 133 Stimmen verabschiedet. Das Votum des Senats über die Entschließung stand noch aus, sollte aber möglicherweise noch am Abend (Ortszeit) folgen. Auch im Oberhaus des US-Kongresses zeichnete sich eine Mehrheit für die Resolution ab. Die Entschließung ermächtigt den Präsidenten zum Einsatz von Gewalt gegen Irak, wenn er alle friedlichen Mittel für ausgeschöpft hält, den irakischen Machthaber Saddam Hussein zum Verzicht auf seine vermuteten Massenvernichtungswaffen zu zwingen. Der Präsident wird zwar aufgefordert, für das Vorgehen gegen Irak den Konsens mit der internationalen Gemeinschaft zu suchen. Doch wird dies nicht zur zwingenden Vorgabe gemacht. Außerdem wird der Präsident verpflichtet, spätestens 48 Stunden nach Beginn eines Angriffs auf Irak den Kongress darüber zu informieren.

Der britische Premier Tony Blair soll unterdessen Russlands Präsident Wladimir Putin von der Notwendigkeit einer neuen UN-Resolution zum Irak überzeugen. Die englischsprachige „Moscow Times“ sieht darin eine Aufgabe, „an der selbst Götter verzweifeln könnten“. Schon am Mittwoch hatte Vizeaußenminister Jurij Fedotow angekündigt, Russland werde einer neuen Resolution nur dann zustimmen, wenn sie keine für Bagdad unerfüllbaren Forderungen enthalte und auf den automatischen Einsatz von Gewalt verzichte. Russland ist der Auffassung, dass die internationalen Inspekteure ihre Tätigkeit im Irak so bald wie möglich aufnehmen sollten und dass neue Resolutionen im Grunde überflüssig sind. Auch Frankreich unterstützt die amerikanische Position im Sicherheitsrat bisher nicht. Frankreichs Präsident Jacques Chirac machte US-Präsident Bush in einem Telefonat am Mittwochabend klar, dass er weiter für ein zweistufiges Vorgehen eintrete, bei dem für einen Angriff eine gesonderte Resolution notwendig würde.

Der stellvertretende irakische Ministerpräsident Abdul Tawab Mullah Hawaisch bot der US-Regierung Inspektionen jener Anlagen an, in denen angeblich Massenvernichtungswaffen hergestellt werden. Als verantwortlicher Minister für die Waffenprogramme des Landes könne er bestätigen, dass der Irak keine Massenvernichtungswaffen herstelle, sagte Hawaisch. Für den Fall eines Angriffs drohte er den USA: „Wenn die Amerikaner eine weitere törichte Aktion gegen den Irak begehen, werden wir ihnen eine unvergessliche Lektion erteilen." Thomas Seibert / Elke Windisch

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