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Politik: Ankaras erster Mann in Europa

Ali Babacan verhandelt für die Türkei in Brüssel

„Die Türkei wird sich von A bis Z verändern müssen“, lautet einer der Lieblingssätze von Ali Babacan. Der türkische Wirtschaftsminister soll vom 3. Oktober an im Auftrag Ankaras die Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union leiten. Der erst 38-jährige gemäßigte Islamist aus der AK-Partei von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan ist so etwas wie der Vorzeige-Muslim im Kabinett. Denn Babacan verbindet das Image eines wirtschaftspolitisch versierten Machers mit dem eines frommen Gläubigen.

Babacan stammt aus einer türkischen Unternehmerfamilie. Er studierte in Ankara und den USA. Heute ist Babacan neben Außenminister Abdullah Gül eines der wenigen Kabinettsmitglieder, die perfekt Englisch sprechen. Erdogan selbst beherrscht keine Fremdsprachen.

Babacans politische Karriere begann, als er Mitte der neunziger Jahre als Berater bei der Stadtverwaltung in Ankara einstieg. Im Jahr 2001 zählte er zu den Mitbegründern der AK-Partei, ein Jahr später fand sich der damals erst 34-Jährige nach Erdogans überwältigendem Wahlsieg im Amt des Wirtschaftsministers wieder.

Experten behaupten, die wichtigste wirtschaftspolitische Leistung der Erdogan-Regierung sei das Nichtstun: Babacan ließ das 2001 auf Druck des Internationalen Währungsfonds (IWF) beschlossene Reformprogramm für die Türkei unverändert umsetzen. Das zahlt sich aus. Die Wirtschafts wächst, die Inflation sinkt, die Börse boomt.

Der Jungstar im Kabinett Erdogan ist ein frommer Muslim, der keinen Alkohol trinkt und dessen Frau das Kopftuch trägt. Trotzdem hat der Vater von zwei Kindern mit islamischen Traditionalisten wenig gemein. Babacan spielt gerne Golf und zählt Reisen zu seinen Hobbys. Auch ist seine Frau Zeynep keine graue Maus, die sich demütig im Hintergrund hält und schweigt. Als ihr Mann Wirtschaftsminister geworden sei, habe sie nächtelang Ökonomie gepaukt, um mitreden zu können, sagte sie kürzlich. „Jetzt werde ich versuchen, EU-Recht zu studieren.“

Als Verhandlungsführer bei den EU-Gesprächen steht auch Babacan vor völlig neuen Herausforderungen. Nach seiner Ernennung im Sommer verfiel er erst einmal in wochenlanges Schweigen. Er müsse sich erst einarbeiten, hieß es. Dabei beeindruckte ihn offenbar vor allem die Erkenntnis, dass in der Türkei in dem mindestens zehn Jahre langen Verhandlungsprozess mit der EU kein Stein auf dem anderen bleiben wird. Immer wieder zählt Babacan alles auf, was nicht so weitergehen kann wie bisher – und fügt dann aufmunternd hinzu, alles geschehe zum Wohle der Kinder und Enkel.

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