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Unter Verdacht. Der frühere SPD-Abgeordnete Sebastian Edathy.

© dpa

Update

Anklage wegen Besitzes von Kinderpornografie: Edathy drohen bis zu zwei Jahre Haft

Die Staatsanwaltschaft Hannover sagt: Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy hat kinderpornografisches Material besessen. Sein Anwalt zweifelt die Ermittlungen an.

Es geht nun doch um mehr als um reine Nacktaufnahmen von Jungen. Der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy muss sich wegen des Besitzes von weit härterem pornografischem Material verantworten. Die Staatsanwaltschaft Hannover hat den 44-Jährigen vor dem Landgericht Verden angeklagt. „Dem ehemaligen Bundestagsabgeordneten wird vorgeworfen, in der Zeit vom 1. bis 10. November 2013 an sechs Tagen über seinen Bundestagslaptop kinderpornografische Bild- und Videodateien aus dem Internet heruntergeladen zu haben“, teilte die Ermittlungsbehörde am Donnerstag mit. Sie hatte am Vortag die Anklageschrift per Boten nach Verden übermittelt. Der Angeschuldigte soll zudem einen Bildband und eine CD mit jugendpornografischem Inhalt, also mit Aufnahmen von über 14-Jährigen, besessen haben.

Erste Funde irrelevant

Die 31 Filme und Fotosets aus Kanada hingegen, die den früher allseits geachteten, mittlerweile aber zurückgetretenen Bundestagsabgeordneten erst ins Visier der Fahnder gebracht hatten, spielten für die Entscheidung der Ermittlungsbehörde keine Rolle mehr. „Die Anklage betrifft nicht das kanadische Material“, sagte Staatsanwältin Karin Söfker dem Tagesspiegel. Das Bundeskriminalamt hatte Edathy 2012 auf der Käuferliste eines einschlägigen Versandhandels in Kanada entdeckt und Ermittlungen aufgenommen. Diese führten im Februar 2014 zum Mandatsverzicht Edathys; die Polizei durchsuchte dessen Wohnung und Büros in Rehburg-Loccum (Landkreis Nienburg). Auf den dort zunächst sichergestellten Nacktaufnahmen waren keine expliziten sexuellen Handlungen zu sehen. Experten stuften sie daher als Kategorie II ein und damit im Grenzbereich zur Strafbarkeit. Edathy, der abgetaucht ist und sich in Südeuropa aufhalten soll, hatte von einem künstlerisch-ästhetischen Interesse an solchen Aktfotos gesprochen. „Ich bin nicht pädophil“, erklärte er in einem Interview mit dem „Spiegel“.

Bis zu zwei Jahre Gefängnis möglich

Landeskriminalamt und Staatsanwaltschaft kommen nach intensiver Auswertung von Dateien und Verbindungsdaten allerdings zu einem ganz anderen Schluss. „Aus unserer Sicht handelt es sich eindeutig um kinder- und jugendpornografisches Material“, betonte Söfker. Dafür drohen Edathy laut Paragraf 184b des Strafgesetzbuches bis zu zwei Jahre Haft. Wegen des großen Interesses der Öffentlichkeit und der Prominenz des Angeschuldigten habe man die Delikte nicht beim eigentlich zuständigen Amtsgericht Nienburg, sondern vor dem Landgericht Verden angeklagt, sagte die Staatsanwältin. Lässt dieses die Anklage zu, kommt es zu einem öffentlichen Prozess vor einer großen Strafkammer mit drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Schöffen. Das Landgericht hat Edathy bis zum 15. August Zeit für eine Stellungnahme gegeben. Das teilte Edathys Anwalt Christian Noll am Donnerstag in Berlin mit. „Nach unserer Auffassung bildet die Anklageschrift keine tragfähige Grundlage für einen Prozess“, sagte der Anwalt.

Verteidiger beschwert sich in Karlsruhe

Edathys Verteidiger zweifelt die Rechtmäßigkeit der Razzien und Beschlagnahmen an. Die zunächst in Rede stehenden Fotos hätten keinen Anfangsverdacht auf Kinderpornografie begründen und weitere Ermittlungen auslösen dürfen. Der Anwalt hat deswegen Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Außerdem rügt er eine Verletzung der Immunität des Bundestagsabgeordneten. Die Staatsanwaltschaft argumentiert dagegen mit kriminalistischen Erfahrungen, wonach Material der Kategorie II fast immer auch auf den Besitz eindeutiger Kinderpornografie schließen lasse.
Im Zuge der Affäre war im Februar Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zurückgetreten, weil er SPD-Chef Sigmar Gabriel im Herbst während der Koalitionsverhandlungen von dem Verdacht gegen Edathy berichtet hatte. Diese Vorgänge und mögliche Versäumnisse bei den Ermittlungsbehörden beschäftigten derzeit auch einen Untersuchungsausschuss des Bundestags.

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