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Politik: Annäherung in der Ukraine

In Kiew mehren sich die Anzeichen für ein Ende des Machtkampfs zwischen Präsident und Premier

Alexander Moros ist ein Meister der Machtpolitik. Obwohl seine sozialistische Partei bei der vergangenen Wahl nur knapp über fünf Prozent der Stimmen bekam, wurde er zum Parlamentspräsidenten in der Ukraine gekürt. Dass bei seinem politischen Aufstieg die einstigen Weggefährten der Orangenen Revolution auf der Strecke blieben, hat ihn offensichtlich nur wenig gestört. Nach seinem politischen Seitenwechsel mussten sie auf der harten Oppositionsbank Platz nehmen.

Zur gleichen Zeit wurde Alexander Moros gleich nach dem Präsidenten und dem Premier zum drittmächtigsten Mann in der Ukraine – und möchte das auch bleiben. Neuwahlen könnten dieses Vorhaben jedoch gefährden. Aus diesem Grund spielt der gewiefte Politiker im Kampf um die Macht zwischen Präsident Viktor Juschtschenko und Regierungschef Viktor Janukowitsch nun die Rolle des Vermittlers.

Präsident Juschtschenko hatte seinen politischen Gegnern vorgeworfen, mithilfe von Bestechungsgeldern den Fraktionswechsel von elf Abgeordneten erkauft zu haben. Der Staatschef befürchtet, bei weiteren Fraktionswechseln einer Zweidrittelmehrheit gegenüberzustehen, die das Vetorecht des Staatsoberhauptes überstimmen könnte. Der westlich orientierte Präsident bezeichnete die Übertritte als rechtswidrig und löste Anfang April das Parlament auf. Neuwahlen setzte er für den 27. Mai an. Dies hatte zu heftigen Protesten des Janukowitsch- Lagers geführt.

Parlamentspräsident Moros war am Wochenende in Kiew nun vor die Presse getreten und hatte verkündet, dass die Zeichen auf Versöhnung stünden. Vorgezogene Parlamentswahlen und ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Juschtschenko werde es nicht geben, sagte der Parlamentspräsident. „Die Wahlen finden zu dem Termin statt, den wir und der Präsident vereinbaren“, erklärte er weiter.

Der Parlamentspräsident erinnerte außerdem Präsident Juschtschenko daran, dass mögliche Neuwahlen zu einer demokratischen Farce werden könnten. Denn die Vertreter der Regierungskoalition hatten in einem gemeinsamen Papier erklärt, sie würden einer solchen gesetzwidrigen Abstimmung fernbleiben. Der Parlamentspräsident teilte ferner mit, er habe für die verfeindeten Lager in der Ukraine den Entwurf eines Memorandums der Aussöhnung und gegenseitigen Verständigung vorbereitet.

Auch der Präsident und der Premier scheinen erkannt zu haben, dass sie sich in den vergangenen Wochen in eine politische Sackgasse manövriert haben. Sie zeigen inzwischen Verhandlungsbereitschaft. Regierungschef Janukowitsch schürt sogar die Hoffnung, dass noch in diesen Tagen alle Widersprüche gelöst werden könnten und die Krise ein Ende finden würde. Auf der Gegenseite ließ Juschtschenko erneut die Bereitschaft erkennen, seinen Erlass zur Auflösung des Parlaments von Anfang April zurückzunehmen. Voraussetzung dafür müsse aber sein, dass der Wechsel von Mehrheiten im Parlament gesetzlich geregelt werden müsse. In der Praxis heißt das, dass in Zukunft die Abgeordneten während einer Wahlperiode nicht mehr das politische Lager wechseln dürften.

Während die politischen Akteure sich langsam aneinander annähern, berät gleichzeitig das Verfassungsgericht in Kiew darüber, ob der Präsident in diesem Fall wirklich das Recht hat, das Parlament aufzulösen. Inzwischen wird allerdings bezweifelt, dass das Gremium die erhoffte schnelle und klare Entscheidung fällen wird. Aber vielleicht kommen ihnen die Politiker bei der Lösung des Konfliktes ja zuvor.

Knut Krohn[Warschau]

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