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Annäherung: Serbien bewirbt sich um EU-Mitgliedschaft

Serbien hat am Dienstag offiziell die Aufnahme in die Europäische Union beantragt. Präsident Boris Tadic übergab den Antrag in Stockholm dem schwedischen Ministerpräsidenten und amtierenden EU-Ratsvorsitzenden Fredrik Reinfeldt.

Berlin -  Für den Reformer Tadic stellt dieser Schritt weit mehr als einen formalen Akt dar. Seine Botschaft lautet: Serbien verfolgt konsequent die Annäherung an die EU und sucht keinen Weg zurück in den Nationalismus der Vergangenheit.

Erst am vergangenen Wochenende hatten die Serben ausgiebig die Aufhebung der Visumspflicht für Reisen in die EU gefeiert. Für die Bevölkerung war dieses Ereignis nach Einschätzung der Vertreterin der Konrad-Adenauer-Stiftung in Belgrad wesentlich wichtiger als der offizielle Mitgliedsantrag. „Die Reisefreiheit ist unmittelbar spürbar für die Menschen und befreit das Land aus seiner langjährigen Isolation“, sagt Claudia Crawford (früher Nolte). Viele junge Serben seien noch nie im westlichen Ausland gewesen, sagt die ehemalige deutsche Familienministerin.

Die Stimmung im Land hat sich seit der einseitigen Unabhängigkeitserklärung des Kosovo Anfang 2008 deutlich entspannt. Die Nationalisten um den früheren Präsidenten Vojislav Kostunica, die am lautesten gegen die Abspaltung des Kosovo protestiert hatten, verlieren stetig an Einfluss, die Radikale Partei (SRS) des vom Haager Kriegsverbrechertribunal inhaftierten Vojislav Šešel hat sich im Herbst 2008 gespalten. Die vom früheren SRS-Spitzenpolitiker Tomislav Nikolic gegründete Fortschrittspartei schlägt laut Crawford „keine nationalistische Melodie“ an. „Nikolic hat verstanden, dass die Bevölkerung auf die EU-Perspektive setzt und unterstützt daher die Beitrittsbemühungen.“

Auch bei seinen Reformbemühungen sieht die Expertin Serbien auf dem richtigen Weg. Die Wirtschaft sei in den vergangenen Jahren liberalisiert worden, die Verwaltung gut aufgestellt, erklärt Crawford. Defizite gebe es vor allem auf den Gebieten Rechtsstaatlichkeit, Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung. „Da sind die Serben noch weit von EU-Standards entfernt.“

Das größte Hindernis für rasche Beitrittsverhandlungen dürfte indes die kritische Haltung der Niederlande darstellen. Das EU-Mitglied blockiert den Abschluss eines Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens zwischen Serbien und der EU, weil der Ex-Militärchef der bosnischen Serben, General Ratko Mladic, noch immer nicht gefasst ist. Mladic wird für das Massaker von Srebrenica verantwortlich gemacht und lebt möglicherweise ebenso wie der vor zwei Jahren gefasste Radovan Karadzic unter dem Schutz früherer Gefolgsleute in Serbien. Belgrad bestreitet allerdings, den Aufenthaltsort Mladics zu kennen.

Nachdem der Chefankläger des UN-Kriegsverbrechertribunals für Ex-Jugoslawien, Serge Brammertz, Belgrad jüngst eine gute Kooperationsbereitschaft bescheinigt hatte, gibt es in den Niederlanden aber offenbar Bewegung. Anfang Dezember stimmte die Regierung in Den Haag einem EU-Freihandelsabkommen mit Serbien zu, die Visafreiheit ließ sie ebenfalls nicht scheitern.

Und vielleicht gibt es ja doch noch eine überraschende Wende im Fall Mladic: Der serbische Arbeitsminister Rasim Ljajic, der auch für die Kooperation mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verantwortlich ist, hat angekündigt, er werde zurücktreten, sollte Mladic nicht bis Jahresende verhaftet werden. Das klingt ganz so, als gebe es doch Hinweise darauf, dass Mladic in Serbien selbst untergetaucht ist.

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