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Politik: Annan und Castro markieren die Gegensätze - Zwischen Versöhnung und Konfrontation: Entwickungsländer suchen nach gemeinsamen Positionen

UN-Generalsekretär Kofi Annan hat die Entwicklungsländer zu einer versöhnlichen und konstruktiven Haltung gegenüber den Industrienationen aufgefordert. Beim Gipfel der Gruppe 77 in Havanna appellierte er zudem an die Regierungen in der Dritten Welt, die Beziehungen untereinander zu stärken.

UN-Generalsekretär Kofi Annan hat die Entwicklungsländer zu einer versöhnlichen und konstruktiven Haltung gegenüber den Industrienationen aufgefordert. Beim Gipfel der Gruppe 77 in Havanna appellierte er zudem an die Regierungen in der Dritten Welt, die Beziehungen untereinander zu stärken. Bei dem G-77-Treffen wollen sich mehr als 40 Staats- und Regierungschefs sowie hochrangige Vertreter weiterer 80 Länder auf eine gemeinsame Linie unter anderem in der Schuldenfrage einigen.

Vom Gastgeber Kuba waren zum Start des so genannten Südgipfels starke Worte zu hören. Die Dritte Welt werde die "Rebellion von Seattle fortsetzen", verkündete Außenminister Felipe Perez und spielte damit auf das Fiasko der Konferenz der Welthandelsorganisation (WTO) im vorigen Dezember an. Präsident Fidel Castro forderte in seiner Eröffnungsrede unter anderem die Abschaffung des Internationalen Währungsfonds. Die G-77-Staaten dürften nichts von den Reichen erbetteln. Jetzt sei die Zeit gekommen, Kampfgeist zu entwickeln.

Andere Gipfelteilnehmer schlugen leisere Töne an. Es gehe darum, sagte der Nigerianer Arthur Mbanefo, "die Verpflichtung der G-77-Staaten auf die Schaffung einer neuen wirtschaftlichen Plattform für den Süden zu erneuern". Man habe lange keine Gelegenheit gehabt, miteinander zu reden, merkte der UN-Botschafter Nigerias an. Er fungiert in diesem Jahr turnusgemäß als Präsident der Gruppe.

Mit ihrem Anliegen einer einheitlichen Haltung in Sachen Globalisierung und gegenüber den reichen Ländern des Nordens haben sich die Gipfelteilnehmer viel vorgenommen, denn mit Konsens tut sich die "Interessengemeinschaft" der Dritten Welt schwer, seit sie 1964 im Anschluss an die erste UN-Handels- und Entwicklungskonferenz (Unctad) in Genf von 77 Ländern gegründet wurde. Inzwischen gehören der Gruppe 133 Staaten an. Dass sich in Kuba erstmals seit der Gründung der Organisation vor 36 Jahren die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer treffen, gilt als Zeichen für ihren Willen, die Rolle der Organisation im Nord-Süd-Dialog aufzuwerten.

Neuen Auftrieb wollen die G-77-Mitglieder in Havanna auch den "Süd-Süd-Beziehungen" geben, deren Intensivierung sie schon mehrmals beschlossen haben. Auf der Tagesordnung steht außerdem der mangelnde Zugang armer Länder zu Bildung und moderner Informationstechnologie. Nach Ansicht des G-77-Vorsitzenden Mbanefo sollten die Staaten, in denen rund vier Fünftel der Weltbevölkerung leben, mehr Handel miteinander treiben und unter anderem erwägen, Computer und Software nicht in Industrienationen, sondern preiswerter in Staaten wie Malaysia, Thailand oder Indien einzukaufen.

Nach dem Scheitern der WTO-Verhandlungen in Seattle und den Differenzen bei der UN-Konferenz über Handel und Entwicklung in Bangkok im Februar hofft Mbanefo zudem auf Anstrengungen der G-77-Staaten, den Nord-Süd-Dialog fortzusetzen und "Misstrauen" zwischen den armen und reichen Nationen zu überwinden.

Auch UN-Generalsekretär Annan wünscht sich, dass die Entwicklungsländer auf dem Milleniums-Gipfel der Vereinten Nationen in Herbst mit "einer einheitlichen und konstruktiven Stimme" sprechen und so zu einem realistischen Plan für die Reform der UN und die Verbesserung der Lebensbedigungen der Armen beitragen . "Der Menschheit ist nicht geholfen", sagte Annan, "wenn die Politiker dort mit ihren Klagen aufeinander losgehen."

Sigrun Rottmann

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