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Politik: Annan verlangt sofortige Waffenruhe

Israel lehnt ab – und rügt den UN-Generalsekretär

New York/Genf - Wer noch einen Beleg dafür benötigte, dass es viel Zeit und viele Leben kosten wird, bevor ernsthafte Verhandlungen über ein Ende der Kämpfe zwischen Israel und der Hisbollah im Südlibanon beginnen, musste nur die Sitzung des Weltsicherheitsrates am Donnerstag in New York verfolgen. Zunächst sprach dort der Generalsekretär der Vereinten Nationen von der Dimension des Leids, das bislang mindestens 500 000 Menschen betreffe. Diese Zahl werde sich aber leicht verdoppeln, sagte Kofi Annan, ehe er die israelische Regierung und die Hisbollah-Milizen gleichermaßen scharf verurteilte. Kaum hatte er geendet, eilte der amerikanische UN-Botschafter John Bolton zu den Mikrofonen und wiederholte seine Mantra, einen sofortigen Waffenstillstand zu fordern, sei „zu stark vereinfachend“. Dann beteuerte Israels UN-Botschafter Dan Gillerman: „Wir werden so lange weitermachen, wie es notwendig ist.“

Wie lange, wollte Gillerman nicht sagen. Aber erklärtes Ziel seiner Regierung ist es, die Hisbollah mit allen Mitteln und nachhaltig aus dem Südlibanon zu vertreiben. Und obwohl die Unruhe über die Kampfhandlungen in der Weltgemeinschaft mit jeder Stunde und jedem Toten wächst, lässt das Weiße Haus Tel Aviv weiter gewähren. Sie werde nicht vor nächster Woche in die Region reisen, ließ US-Außenministerin Condoleezza Rice verlauten, ehe sie sich am Mittwochabend mit Annan traf. Der hatte im Sicherheitsrat das Vorgehen der Hisbollah als „Schande“ bezeichnet und Israels Recht auf Selbstverteidigung betont. Doch die Bombardierung des Südlibanon sei „eine übertriebene Anwendung von Gewalt“, sagte er weiter. Israel müsse größere und glaubwürdigere Anstrengungen unternehmen, um Zivilisten und die zivile Infrastruktur zu schonen.

Gleichzeitig äußerte er Zweifel an Tel Avivs Vorhaben, die Hisbollah zu zerstören. Welche Schäden Israel auch dem militärischen Potenzial der Hisbollah zufügen möge, es helfe „wenig oder gar nicht dabei, die Unterstützung in der Bevölkerung für die Hisbollah zu schwächen“. Gillerman beschwerte sich danach bitter, dass Annan nicht die Wurzeln des Konflikts genannt habe, die seiner Ansicht nach in der Unterstützung der Terroristen durch Syrien und dem Iran liegt.

Schon am Mittwochabend hatte die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Louise Arbour, die Militärschläge Israels im Libanon und im Gazastreifen und die Attacken auf Israel in die Nähe von Kriegsverbrechen gerückt. Arbour verurteilte in Genf besonders die massiven Angriffe auf Städte. Eine „strafrechtliche Verantwortung“ für die unmittelbaren Täter sowie die Befehlshaber könnte sich aus dem Ausmaß der Tötungen ergeben, betonte Arbour. „Das humanitäre Völkerrecht verpflichtet eindeutig, Zivilisten in Feindseligkeiten zu schützen“, sagte die UN-Hochkommissarin. Diese Verpflichtung existiere auch im internationalen Strafrecht, das „Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit definiert“. jdh./mbk

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