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Politik: Anrüchiges Geschäft Niedersachsens Regierung verteidigt Wulff

gegen alte Korruptionsvorwürfe.

Hannover - Verfassungsbruch und Korruption? Oder nur das normale politische Geschäft? Niedersachsens amtierende CDU/FDP-Landesregierung hat das Eingreifen des ehemaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff, der einen Beschluss seines Kabinetts zum Abstimmungsverhalten im Bundesrat kurzerhand ins Gegenteil verkehrt hatte, in einer Antwort auf eine Parlamentsanfrage der Grünen als völlig übliche Abweichung bezeichnet. Kabinettsmitglieder von damals widersprechen allerdings. Der Vorgang sei einmalig gewesen.

2007 hatte sich die schwarz-gelbe Ministerriege in Hannover darauf verständigt, gewisse Steuererleichterungen für die Versicherungsbranche im Bundesrat abzulehnen. Auf persönliche Intervention Wulffs stimmten die Vertreter Niedersachsens in der Länderkammer dann plötzlich doch für den von Bayern initiierten Vorstoß – nachdem der Ministerpräsident einen entsprechenden Bittbrief der zum Talanx-Konzern gehörenden Versicherung Hannover Rück erhalten hatte.

Zwar fand das Steuergeschenk letztendlich keine Mehrheit, aber schon der Versuch war möglicherweise pikant: Wenige Monate später verbrachte das frisch vermählte Ehepaar Christian und Bettina Wulff im italienischen Feriendomizil von Talanx-Aufsichtsratchef Wolf-Dieter Baumgartl seine Flitterwochen. „Wir prüfen, ob auch hier der Anfangsverdacht auf ein Korruptionsdelikt vorliegt“, sagt Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Lendeckel. Zunächst hatte die Behörde den Fokus auf einen angeblich vom Filmunternehmer David Groenewold bezahlten Sylt-Urlaub Wulffs gelegt; die Aufnahme der Ermittlungen wegen Vorteilsnahme führte im Februar zum Rücktritt Wulffs als Bundespräsident. Laut Lendeckel will die Staatsanwaltschaft im Laufe des Oktobers entscheiden, wie es in den beiden Verfahren gegen Wulff und seinen ehemaligen Sprecher Olaf Glaeseker konkret weitergeht – ob die Ermittlungen eingestellt oder doch Anklagen erhoben werden.

In der Antwort auf die Grünen-Anfrage versucht das Finanzministerium auf mehreren Seiten, die spätere Umkehr der Stimmabgabe im Bundesrat als üblich und damit als verfassungskonform darzustellen. „Hierin liegt kein Rechtsverstoß, sondern solche Abweichungen sind sinnvoll und geboten.“ Wie oft und in welchen anderen Fällen so verfahren worden ist, verschweigt das Haus von Ressortchef Hartmut Möllring (CDU) allerdings. Das gehöre zum „internen Meinungsbildungsprozess der Landesregierung“ und unterliege damit nicht der Auskunftspflicht. Damalige Kabinettsmitglieder sprechen dagegen von einem einmaligen Vorgang. „Das kam sonst so gut wie nie vor“, erklärt ein langjähriger Wulff-Kollege. „Ich kann mich an keinen einzigen anderen Fall erinnern“, beteuert ein anderer. Peter Mlodoch

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