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Hass auf Türken. Beim Brandanschlag eines türkischstämmigen Islamisten auf ein türkisches Geschäft in Waldkraiburg wurden sechs Menschen verletzt.

© Angelika Warmuth/dpa

Anschläge in Waldkraiburg: Bundesanwaltschaft zieht Ermittlungen gegen Muharrem D. an sich

Der Islamist verübte vier Angriffe auf türkische Geschäfte in Waldkraiburg, ein Laden ging in Flammen auf. Nun übernimmt der Generalbundesanwalt das Verfahren.

Von Frank Jansen

Der Fall klingt unglaublich und wird nun auf höchster Ebene bearbeitet. Nach der Serie von Anschlägen eines türkischstämmigen Islamisten auf türkische Geschäfte im oberbayerischen Waldkraiburg zieht die Bundesanwaltschaft das Verfahren wegen besonderer Bedeutung und wegen des Verdachts auf die Vorbereitung einer schweren, staatsgefährdenden Gewalttat an sich.

Gegen den 25-jährigen Muharrem D. werde wegen 27-fachem versuchten Mordes und weiterer Straftaten ermittelt, teilte die Behörde am XXX in Karlsruhe mit. Der Islamist hatte nach seiner Festnahme am 8. Mai einen Brandanschlag auf einen Lebensmittelladen im Zentrum von Waldkraiburg und weitere Angriffe gestanden.

Bei dem Feuer am Morgen des 27. April waren in dem Gebäude 27 Bewohner in Gefahr geraten, sechs von ihnen erlitten Verletzungen.

In drei weiteren türkischen Geschäften hatte D. von Mitte April bis Anfang Mai Scheiben eingeworfen und eine übel riechende Substanz hineingekippt. Muharrem D. nannte als Motiv für die Attacken Hass auf Türken und bezeichnete sich als Anhänger der Terrormiliz „Islamischer Staat“.  

Der Fall gilt in den Sicherheitsbehörden als bizarr, da der Täter selbst aus einer türkisch-kurdischen Familie stammt. Einen Zusammenhang mit dem Konflikt zwischen kurdischen Separatisten und dem türkischen Staat gibt es offenbar nicht. Bislang hatte die Generalstaatsanwaltschaft München die Ermittlungen geführt.

Der Täter wurde eher zufällig festgenommen

Mit der Festnahme am 8. Mai, die eher zufällig erfolgte, wurden wahrscheinlich weitere Anschläge verhindert. Die Bundespolizei hatte Muharrem D. am Bahnhof von Waldkraiburgs Nachbarstadt Mühldorf am Inn kontrolliert, weil er ohne Zugticket mit der Regionalbahn gefahren war.

Die Beamten entdeckten bei einer Datenabfrage, dass zwei Geldstrafen gegen D. wegen des Konsums von Marihuana vorlagen, und wollten den Mann mitnehmen zur Wache. Er verwies auf sein schweres Gepäck und wollte es am Bahnhof zurücklassen. Damit entlarvte sich Muharrem D. selbst.

Die Polizisten öffneten den Trolley und stießen auf zehn Rohrbomben sowie 20 Kilogramm einer Chemikalie, die zum Bau von Sprengsätzen geeignet ist.  Die Beamten nahmen D. sofort in Gewahrsam, der Bahnhof wurde gesperrt. Bei den Vernehmungen packte der Mann rasch aus.

Rohrbomben, Chemikalien und eine Pistole sichergestellt

Muharrem D. gestand die Anschläge auf türkische Einzelhändler und berichtete von weiteren Sprengsätzen. Die Polizei entdeckte dann in seinem Pkw und seiner Wohnung in Waldkraiburg 13 Rohrbomben, Schwarzpulver, sprengstofffähige Chemikalien sowie eine Pistole der Marke Beretta und Munition. Der Mann sagte auch, er habe weitere Anschläge geplant. Er sei Anhänger und Kämpfer des IS und würde sein Leben dafür opfern.

Der Brandanschlag auf das Lebensmittelgeschäft und die Steinwürfe auf eine Pizzeria, einen Kebap-Imbiss und einen Frisörladen hatten das 24 000 Einwohner zählende Waldkraiburg geschockt. Die Polizei bildete nach dem Brand am 27. April, bei dem ein Millionenschaden entstand, die Soko „Prager“ mit insgesamt 50 Beamten. Für Hinweise auf den oder die Täter wurden 3000 Euro ausgesetzt.

Zunächst wurde ein Rassist als Täter vermutet

Die Sicherheitsbehörden vermuteten, ein türkenfeindlicher Rassist sei für die Attacken verantwortlich. Nach der Festnahme von Muharrem D. waren selbst Sicherheitsexperten mit vielen Jahren Erfahrung überrascht. „Er hat gehandelt wie ein Rassist“, hieß es. Der Leiter der Soko, Hans-Peter Butz, bezeichnete Muharrem D. als eine „narzisstische Persönlichkeit, die die Wahrnehmung genoss“. Die Taten hätten das Ego von D. „positiv angesprochen“.

Die Biografie von Muharrem D. war zunächst unauffällig. Er wuchs bei seinen aus der Türkei stammenden Eltern auf, machte eine Lehre als Einzelhandelskaufmann, arbeitete in einem Chemieunternehmen und war dann arbeitslos. Als er sich islamistisch radikalisierte, gab es Streit mit den Eltern, die das nicht dulden wollten. Muharrem D. entwickelte sich offenbar zum Einzelgänger. Mittäter bei den Angriffen in Waldkraiburg hatte er vermutlich nicht.

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