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Nach dem Anschlag auf einen Eritreer kam Mitgefühl vor allem aus der Gesellschaft.

© Andreas Arnold/dpa/AFP

Anschläge von Wächtersbach und Zittau: Wir brauchen Empathie und ein schärferes Waffenrecht

Der Staat muss entschiedener gegen rechten Terror agieren. Waffen sind zu leicht zu beschaffen, die Solidarität mit den Opfern ist zu gering. Ein Kommentar.

Von Frank Jansen

Es ist unfassbar: Sieben Wochen nach dem Mord an Walter Lübcke stirbt in Hessen beinahe wieder ein Mensch bei einem rechten Anschlag. Der von dem Rassisten Roland K. in Wächtersbach angeschossene Eritreer überlebt nur, weil Passanten blitzschnell Polizei und Sanitäter alarmieren.

Und dann geschieht, was schon nach dem Attentat auf Lübcke schockierte: Im Internet hetzen Rechte gegen das Opfer. Die Tat wird als notwendige Selbstjustiz gegen Migranten gerechtfertigt. Die Verrohung reißt auch Gegner der Rechten mit. Bei Twitter wird zum Suizid von Roland K. gepostet, „ein Gutes hat Wächtersbach immerhin: ein Nazischwein weniger.“

Auch wenn sich nur eine Minderheit im Land dem Hass hingibt, zeugen die Anschläge in Hessen und womöglich in Zittau sowie die Parolen im Internet von einem aufgeheizten Klima. Gefährlicher ist allerdings die Vernichtungswut von rechts, davon künden schon die Verfahren der Bundesanwaltschaft zu rassistischem Terror. So zwingt sich wieder einmal die Frage auf, ob Staat und Gesellschaft dem Horror mit der nötigen Entschlossenheit, Effektivität und Empathie für die Opfer begegnen.

Für Walter Lübcke gab es eine große, würdige Trauerfeier in der Kasseler Martinskirche. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier kam und mit ihm weitere Prominente. Sie alle sollten jetzt Mitgefühl für den Eritreer zeigen, der den Bauchdurchschuss nur knapp überlebt hat. Und was spricht dagegen, dass sich die Bundeskanzlerin ebenfalls zu dem Opfer begibt, sobald die Ärzte das zulassen?

Solidarität mit den Opfern rechter Gewalt war immer schon nötig, nach den Anschlägen in Hessen scheint sie noch dringlicher zu sein. Um den Tätern und den wütenden Hatern im Internet zu verdeutlichen, dass die Anständigen in diesem Land zusammenhalten. Erste Signale „von unten“ gibt es glücklicherweise. Mehrere hundert Menschen haben am Dienstag mit einer Mahnwache am Tatort in Wächtersbach gegen Rassismus protestiert. In Kassel demonstrierten vergangenen Sonnabend immerhin zehntausend Menschen gegen einen Auflauf von Neonazis.

Ein „Bedürfnis“ begründet noch kein Anrecht auf eine Waffe

Für mehr Effektivität im Kampf gegen die rechte Gefahr müsste allerdings vor allem der Staat zulegen. Ein Beispiel ist das Waffenrecht. Der Schütze von Wächtersbach besaß fünf Schusswaffen. Legal. Eine weitere hatte er kurz vor der Tat verkauft. Auch legal. Warum ist das möglich? Wozu braucht ein Privatmann sechs Schusswaffen? Dass Roland K. Sportschütze gewesen sein soll, rechtfertigt kein Arsenal. Selbst wenn er kein Attentat begangen hätte, wäre es bedenklich, dass der Staat zulässt, dass sich ein Bürger ein Depot mit Pistolen und Gewehren zulegt.

Der Anschlag in Wächtersbach sollte Anlass sein, umzudenken – und den Erwerb von Schusswaffen grundsätzlich zu verbieten. Bei Schützenvereinen, Jägern, Bewachungsfirmen und auch hochgradig bedrohten Personen wäre weiterhin eine kontrollierte Ausnahme zu machen. Nicht aber, wie es das Waffengesetz bislang gestattet, wenn auch „Waffen- oder Munitionssammler“ ein „Bedürfnis“ geltend machen. Rechte und Reichsbürger nutzen jede Gesetzeslücke, um aufzurüsten. Damit sollte Schluss sein.

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