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Polizei vor dem Redaktionsgebäude der "Capital Gazette" in der US-Stadt Annapolis

© AFP/Saul Loeb

Update

Anschlag auf "Capital Gazette" in Annapolis: Todesschütze hatte "alte Rechnung mit der Zeitung offen"

Ein Mann erschießt in der Redaktion der US-Zeitung "Capital Gazette" fünf Menschen. Anlass für den Angriff war wohl der Streit um eine Kolumne von 2011.

Plötzlich ist die Sorge greifbar. Die Sorge, dass aus Worten Taten geworden sind. Dass die Beschimpfungen gegen Journalisten, die in den USA immer offener geäußert werden, Konsequenzen haben, dass der Hass, der gesät wurde, aufgeht.

Das Attentat auf die Redaktion der Lokalzeitung "Capital Gazette" in Annapolis, bei dem fünf Menschen ums Leben kamen und mindestens zwei verletzt wurden, hat die Medienlandschaft in Amerika aufgeschreckt. Unmittelbar danach verschärft die New Yorker Polizei die Sicherheitsmaßnahmen für große Medieneinrichtungen. Und auch die "Washington Post" in der Hauptstadt, die gerademal eine Autostunde von Annapolis entfernt ist, führt striktere Sicherheitskontrollen ein. Alles reine Vorsichtsmaßnahmen, heißt es. Und dennoch ... Immerhin führt US-Präsident Donald Trump seinen persönlichen Kleinkrieg gegen kritische Journalisten, die "Fake News" verbreiteten und "Feinde des Volkes" seien.

Dass in den sozialen Netzwerken stundenlang wild über die Motive des Täters spekuliert wird, liegt auch daran, dass es am Donnerstag ungewöhnlich lange dauerte, bis Details über den Schützen öffentlich werden. Was dann später am Abend bekannt wird, bestätigt die Theorie des aufgestachelten Trump-Anhängers nicht.

Bei dem Täter soll es sich um einen 38-Jährigen handeln. Er habe sich seit Jahren einen erbitterten Rechtsstreit mit der "Capital Gazette" geliefert, berichtet die "Washington Post". Anlass sei eine Kolumne aus dem Jahr 2011 gewesen, von der er sich diffamiert gefühlt habe.

Polizei: "Da hatte jemand eine alte Rechnung mit der Zeitung offen"

Nachdem die Polizei den Verdächtigen stundenlang verhört hat, sagt Sprecher Ryan Frashure: "Das war ganz offensichtlich jemand, der eine alte Rechnung mit der Zeitung offen hatte." Es sei eine gezielte, aber auch nicht besonders akribisch geplante Tat gewesen. Der Verdächtige kooperiere nur bedingt. Seine Wohnung sei durchsucht werden. Am Freitag berichtet die Polizei von einer Drohung bereits im Jahr 2013, danach sei der Mann aber nicht mehr auffällig gewesen. Bis unmittelbar vor der Tat, als er der Zeitung erneut im Internet drohte.

Derweil bewegen die Augenzeugenberichte die Menschen. Zum Beispiel der des Reporters Phil Davis, der dem Sender CNN beschreibt, wie sich die Anwesenden unter ihren Schreibtischen verschanzten. "Ich habe nur gehofft, dass mein Telefon nicht klingelt", sagt er. Es habe ausgesehen wie in einem Kriegsgebiet, schreibt Davis in einem Bericht, der nur 45 Minuten nach dem Attentat auf der Internetseite der Tageszeitung veröffentlicht wird. Eine andere Reporterin erzählt, wie sie den Tod eines Kollegen aus nächster Nähe mit ansehen musste: "Ich sah nicht den Täter, aber ich sah, wie er getroffen wurde. Er ging zu Boden", sagt sie. Alle Opfer waren Mitarbeiter der Zeitung.

Was besonders beeindruckt: Die Überlebenden machen einfach weiter. Der Anschlag auf die "Capital Gazette" soll nicht verhindern dürfen, dass die Zeitung erscheint, nicht mal einen Tag. Ich weiß nicht, was ich sonst tun soll", zitiert die "Baltimore Sun" den landespolitischen Reporter Chase Cook, der sofort in den Newsroom eilt, als er von der Schießerei erfährt. Gemeinsam mit zwei weiteren Kollegen macht er sich an die Arbeit.

Die Freitagausgabe wird gedruckt – mit der nüchternen Zeile "Fünf Menschen bei The Capital erschossen", darüber die Fotos der toten Kollegen. Die weiteren Seiten wirken wie immer bei einem solchen Ereignis, es wird berichtet, analysiert, festgehalten, was bekannt ist und was nicht. Aber dann kommt die Meinungsseite. Eine freie Seite, auf der nur in der Mitte wenige Sätze stehen, schwarz auf weiß, wie bei einer Traueranzeige: "Heute sind wir sprachlos. Diese Seite ist absichtlich leer, um an die Opfer der Schießerei in unserem Büro am Donnerstag zu erinnern." Dann folgen die fünf Namen: Gerald Fischman, Rob Hiaasen, John McNamara, Wendi Winters, Rebecca Smith. Und die Anmerkung, dass die Meinungsseite am nächsten Tag wieder zu ihrer steten Aufgabe zurückkehren werde: den Lesern informierte Einschätzungen über die Welt um sie herum anzubieten, "so dass sie vielleicht zu besseren Mitmenschen werden".

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US-Präsident Trump äußert sein Mitgefühl

Die "Capital Gazette" ist eine kleine Lokalzeitung mit einer Auflage von rund 40.000 Exemplaren. Die überregionalen Nachrichten liefert die Muttergesellschaft der "Baltimore Sun". Noch am Donnerstag erklärt die Schwesterzeitung: "Als Journalisten haben wir über mehr Todesschüsse berichtet, als wir zu zählen bereit sind. Aber jetzt hat es unsere Familie getroffen und wir spüren den Schmerz akuter, als wir uns das vorstellen konnten."

Auch Trump wartet nicht lange mit seiner Reaktion. Auf Twitter äußert er am Abend sein Mitgefühl für die Angehörigen und verurteilt die Tat. Und seine Sprecherin Sarah Sanders schreibt: "Ein gewalttätiger Angriff auf unschuldige Journalisten ist ein Angriff auf alle Amerikaner."

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