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Anschlag auf Israelis in Bulgarien: Wer steckt hinter dem Attentat?

Der Anschlag in Bulgarien verschärft alte Konflikte. Wer steckt hinter dem Attentat?

Offiziell hat noch niemand die Verantwortung übernommen für das grauenhafte Sprengstoffattentat auf dem Flughafen der bulgarischen Schwarzmeerstadt Burgas. Und die Ermittler haben zunächst nur einen Anfangsverdacht. Ungeachtet dessen drohen israelische Politiker der Hisbollah und dem Iran, die sie als Drahtzieher beschuldigen, mit Vergeltung.

Was weiß man inzwischen über den Hergang des Anschlags?

Fünf israelische Touristen, ein bulgarischer Busfahrer und vermutlich ein Selbstmordattentäter haben bei dem Anschlag ihr Leben verloren. Die bulgarischen Behörden verfolgen eine heiße Spur, sagen sie. Sie veröffentlichten Aufnahmen einer Überwachungskamera, auf denen eine langhaariger Mann zu sehen ist. Er trägt karierte Bermuda-Shorts, ein blaues T-Shirt und einen Rucksack. Auf den Bildern ist zu sehen, wie der Mann das Flughafengebäude betritt, sich kurz umschaut und wieder hinaus geht. Sollte sich der Anfangsverdacht der Ermittler bestätigen, handelt es sich bei ihm nicht um einen gewöhnlichen Rucksacktouristen, sondern einen Selbstmordattentäter. Er soll sich dem Bus der israelischen Reisegruppe genähert haben, um seinen Rucksack im Gepäckfach des Busses zu verstauen und die tödliche Explosion auszulösen.

VIDEO: Mindestens sieben Tote bei Anschlag in Bulgarien

„Wir haben bei einer nicht zur Reisegruppe gehörenden Person einen gefälschten, angeblich im US-Bundesstaat Michigan ausgestellten Führerschein gefunden“, gab Bulgariens Ministerpräsident Boiko Borissov am Donnerstag bekannt. Mit einer DNA-Probe aus dem Finger des mutmaßlichen Attentäters soll nun seine Identität festgestellt werden.

Wieso erfolgte der Anschlag am Flughafen Burgas?

Die Terroristen haben laut Experten exakt den Schwachpunkt im Sicherheitssystem herausgefunden und ausgenutzt. Flüge ab Israel gelten als die sichersten überhaupt, dank strikter Kontrollen am Flughafen und drastischer Schutzmaßnahmen an Bord. In den Hotels, in denen israelische Touristengruppen absteigen, werden vielfach besondere Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Ungeschützt bleibt einzig die Busfahrt vom Flughafen zum Hotel. Und genau an diesem Punkt erfolgte der Anschlag.

Wie reagiert Israel?

Wie reagiert Israel?

Der Terroranschlag im bulgarischen Burgas kam nicht völlig unerwartet, aber überraschte die israelischen Sicherheitsorgane dennoch. Israelische Gruppen in der ganzen Welt sind ständig gefährdet und werden dementsprechend gewarnt. Doch besaßen die Geheimdienste keine spezifischen Informationen im Vorfeld des Anschlags, sagte Israels Verteidigungsminister Ehud Barak.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wandte sich am Donnerstagabend mit einer kurzen Rede an die Nation. Er dankte Bulgarien, „dem wahren Freund Israels“, für die „erste, lebensrettende Hilfe“.

Zuvor hatten bereits alle führenden Politiker, namentlich Außenminister Avigdor Lieberman und Verteidigungsminister Ehud Barak, übereinstimmend den Iran und dessen „verlängerten Arm“, die Hisbollah, der Tat beschuldigt.

Welche Belege gibt es für die Spur zur Hisbollah beziehungsweise zum Iran?

„Alle Zeichen führen zum Iran“ , sagte Ministerpräsident Netanjahu. Auch ausnahmslos alle israelischen Experten sind der selben Ansicht. Konkrete Beweise legten die verantwortlichen Stellen allerdings bisher nicht vor. „Allein in den vergangenen Monaten hat es iranische Versuche gegeben, Israelis in Thailand, Indien, Georgien, Kenia, Zypern und andernorts zu töten. Dies ist eine weltweite iranische Terror-Kampagne“, hatte Netanjahu seinen Verdacht am Mittwoch begründet. Tatsächlich hat die Hisbollah ihre Anschlagsdrohungen nicht nur wiederholt, sondern auch verstärkt. Sie will die gezielten Tötungen ihrer wichtigsten Kommandanten rächen. Doch die Hisbollah kann, trotz mörderischer Drohungen ihres Chefs Scheich Nasrallah – zuletzt Mitte Mai –, derzeit Israel nicht direkt angreifen. Sie würde damit einen verheerenden Gegenschlag riskieren, der den Libanon verwüsten und dessen staatliche Existenz gefährden würde.

Ein weiterer Hinweis ist aus israelischer Sicht, dass der Burgas-Anschlag exakt am Jahrestag des bisher mörderischsten Terroraktes der Auslands-Hisbollah in Kooperation mit dem iranischen Geheimdienst stattfand: Vor genau 18 Jahren starben 85 Menschen in einem jüdischen Gemeindezentrum in Buenos Aires.

Der Iran wies die Anschuldigungen zurück. Man verurteile „jeden terroristischen Akt“, erklärte der Sprecher des Außenministeriums, Ramin Mehmanparast. Die islamische Republik selbst sei „das größte Opfer des Terrorismus“. Israel dagegen sei für mehrere Anschläge verantwortlich, unter anderem auf iranische Atomforscher, und schrecke nicht vor „grundlosen“ Anschuldigungen zurück, um von seiner „terroristischen Natur“ abzulenken, sagte Mehmanparast.

Wie könnten Vergeltungsmaßnahmen gegen den Iran aussehen?

Netanjahu blieb in seiner Rede ungefähr, versicherte den Israelis aber: „Wir werden weiterhin die Attentäter jagen und von ihren Hintermännern einen schweren Preis einfordern. Wir werden den iranischen Terror weiter bekämpfen. Er wird uns nicht in die Knie zwingen. Wir werden gegen ihn mit größter Wucht vorgehen.“

Der Nahost-Experte Michael Lüders sieht in der Reaktion Israels allerdings vor allem eine strategische Absicht. „Wir wissen bisher nicht, wer hinter dem Attentat steckt. Trotzdem dauerte es nur eine halbe Stunde, bis Benjamin Netanjahu den Iran beschuldigte“, sagte er dem Tagesspiegel. „Bis jetzt haben die Israelis keine Beweise für ihre These geliefert.“ Es sei nicht auszuschließen, dass der Iran das Attentat gesteuert habe, aber bisher sei das reine Spekulation. „Sicher ist, dass Benjamin Netanjahu den Angriff instrumentalisiert und ein Krieg näherrückt“, sagte der Politikwissenschaftler und Publizist. „Der Angriff Israels gegen den Iran ist nur noch eine Frage der Zeit.“ Die Furcht vor einem bewaffneten Konflikt ließ am Donnerstag auch den Ölpreis steigen.

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