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Politik: Anschlag aufs Herz des Assad-Regimes

Mindestens 35 Tote durch Autobombe / Studie aus Heidelberg: Zahl der Konflikte weltweit steigt.

Autos brannten lichterloh, Verletzte kauerten benommen am Straßenrand, während sich eine dicke, schwarze Rauchwolke über dem Zentrum von Damaskus ausbreitete. Eine verheerende Autobombe zielte am Donnerstag offenbar auf das politische Herz des Assad-Systems. Die im gesamten Stadtgebiet hörbare Detonation beschädigte das streng abgeschirmte Hauptquartier der Baath-Partei im Mazraa-Viertel und demolierte zahlreiche Wohnhäuser. Nebenan in der russischen Botschaft gingen sämtliche Fensterscheiben zu Bruch. Mehr als 50 Autos und Kleinbusse lagen Stunden danach verkohlt oder zerschmettert auf dem Asphalt der vierspurigen Stadtautobahn, die direkt am Explosionsort vorbeiführt.

Nach ersten Angaben der syrischen Nachrichtenagentur Sana kamen mindestens 35 Menschen bei dem Massaker ums Leben, 237 wurden verletzt. Ein Sprecher des Regimes in Damaskus bezeichnete die Explosion der Megabombe als Terrortat, die nach ersten Erkenntnissen von einem Selbstmordattentäter gezündet worden war. „Ist das etwa Islam? Das ist Terror!“, rief einer der Verwundeten in die Kamera des Staatsfernsehens. „Ist das die Freiheit, die ihr wollt? Ist das die Freie Syrische Armee?“, sekundierte ein anderer.

Mehrfach in der Vergangenheit hatten Kämpfer der radikalen Al-Nusra-Front, die ideologisch Al Qaida nahesteht, bereits verheerende Autobomben gezündet. Nach Angaben syrischer Medien verhinderten Sicherheitsbeamte einen weiteren Anschlag und nahmen einen Attentäter fest, der fünf schwere Rohrbomben in seinem Wagen geladen hatte, von denen eine 300 Kilogramm wog.

Der Bürgerkrieg in Syrien gilt als der derzeit weltweit gefährlichste Konflikt. Im vergangenen Jahr starben allein 55 000 Menschen, bis zu 2,8 Millionen flüchteten vor dem Bürgerkrieg. Zu diesem Ergebnis kommt das am Donnerstag vorgestellte Konfliktbarometer, das das Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung (HIIK) jährlich erstellt.

396 Konflikte haben die Wissenschaftler insgesamt gezählt. In mehr als der Hälfte (208) kam Gewalt zum Einsatz und 18 von ihnen nennt das HIIK „Krieg“. Das bedeutet, dass an diesen Orten über einen längeren Zeitraum systematisch und organisiert Gewalt angewendet wird, die nachhaltige Folgen hat. 18 Kriege – das sind zwei weniger als im Vorjahr, als mit 20 ein Rekord seit Beginn der Zählungen im Jahr 1945 erreicht worden war.

Doch den leichten Rückgang im Jahr 2012 werten die Konfliktforscher keinesfalls als Erfolg. Denn die Zahl der „hochgewaltsamen Konflikte“ ist von 38 (2011) auf 43 gestiegen und die Gesamtzahl der Konflikte ebenfalls um acht. „Daher kann man nicht davon sprechen, dass die Welt friedlicher geworden ist“, sagt HIIK-Vorstandsmitglied Simon Ellerbrock.

Syrien, Afghanistan, Irak, Libyen: Dem Konfliktbarometer zufolge ist der Vordere und Mittlere Orient die Region, in der die Konflikte die höchste Intensität haben, gemessen an den Todesfällen. 65 000 waren es im vergangenen Jahr, davon allein 55 000 in Syrien. Wie viele Menschen weltweit bei Konflikten und Kriegen ihr Leben gelassen haben, könne man nur schwer sagen. „Die Datenlage ist sehr schwierig.“

Die gewaltsamen Auseinandersetzungen in Ägypten, Tunesien und Jemen aufgrund des Arabischen Frühlings sind leicht abgeklungen, weshalb die Forscher diese 2011 als Kriege bezeichneten Konflikte zu Krisen herabstuften. Ellerbrock warnt allerdings: „Diese Konflikte bestehen weiter, weil es jetzt Streit über die Verteilung der Macht gibt.“ Libyen ist ein Beispiel. Dort entwickelte sich nach dem Sturz Gaddafis ein innerstaatliches Gerangel um Ressourcen, regionalen Einfluss und die künftige Ausrichtung des politischen Systems. Der Konflikt in Libyen bleibt daher laut Konfliktbarometer ein begrenzter Krieg.

In Subsahara-Afrika gab es im vergangenen Jahr die meisten Kriege (9). Besonders im Kongo eskalierte der Konflikt. 2011 verortete das Barometer den Kampf zwischen M23-Rebellen und der Regierung noch als „gewaltlos“. Im aktuellen Bericht wird er auf der fünfstufigen Skala der Wissenschaftler drei Kategorien heraufgestuft.

In Nord- und Südamerika ist es vergleichsweise friedlich. Nur Mexiko, wo Drogenkartelle jährlich mehr als 12 000 Personen töten, erhält den Kriegsstatus.

Die Ursachen und Gegenstände von Kriegen seien mitentscheidend, ob ein Konflikt viele Todesopfer mit sich bringt, erklärt Ellerbrock. Bei Querelen um Territorien oder Ressourcen könnten Parteien sich eher einigen, als wenn es um Ideologiedifferenzen oder den Wunsch nach Demokratisierung und Regimewechsel gehe, so wie es derzeit in Syrien der Fall ist. „Das ist etwas Absolutes.“

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