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Anschlag: Griechenland droht die Rückkehr des Terrors

Nach dem gescheiterten Anschlag auf Bankgebäude befürchtet die Opposition "Zustände wie in Kabul“.

Als die Sprengstoffexperten der Athener Polizei am Donnerstagmorgen um 4 Uhr 30 die Heckklappe des grauen Mazda 323 öffnen, fährt ihnen der Schreck in die Glieder. Vor ihnen liegen fünf gelbe Propangasflaschen. Drähte führen zu einem aus mechanischen Weckern gebastelten Zeitzünder, der auf dem Rücksitz des Autos liegt. Die Beamten gehen in Deckung. Nichts passiert. Nach drei Stunden untersuchen sie den Inhalt der Gasflaschen. Es handelt sich um 60 Kilo Sprengstoff. Obwohl der Zeitzünder funktioniert hatte, war die Bombe nicht hochgegangen.

Schauplatz des fehlgeschlagenen Terroranschlags war ein vierstöckiges Verwaltungsgebäude der Citibank im Athener Villenvorort Kifissia. Seit dieser Woche ist klar: Der Terror meldet sich zurück in Griechenland. Viele hielten ihn für besiegt, als 2002 die führenden Mitglieder der Organisation „17. November“ festgenommen wurden. Fast 30 Jahre lang hatte die Gruppe, die sich nach dem Datum des blutigen Studentenaufstandes gegen die griechische Obristenjunta im Jahr 1973 nannte, das Land terrorisiert. Fast zwei Dutzend Morde an Wirtschaftsführern, Politikern und Diplomaten sowie hunderte Bomben- und Brandanschläge gingen auf ihr Konto. Die Führungsriege der Organisation sitzt langjährige Haftstrafen im Gefängnis Korydallos bei Piräus ab. Aber die Hoffnung, damit sei der Terror kein Thema mehr, hat sich nicht erfüllt.

Das Attentat in Kifissia trägt nach Einschätzung der Fahnder die Handschrift der Terrorgruppe „Revolutionärer Kampf“ (EA), die bereits 2003 mit einem Anschlag auf ein Athener Gerichtsgebäude in Erscheinung getreten war. Seither hat die Gruppe ein Dutzend weitere Attentate verübt. Seit diesem Donnerstag sprechen Polizeiexperten von einer „neuen Qualität“ des Terrors. Der „Revolutionäre Kampf“ ist zudem nicht die einzige Terrororganisation, mit der es die Ermittler zu tun haben. Unbekannte griffen kürzlich mit Handgranaten und Maschinenpistolen Polizeistationen an. Zu den Anschlägen bekannte sich die Untergrundorganisation „Revolutionäre Sekte“, die in ihrem Bekennerschreiben den Aufbau einer „Stadtguerilla“ ankündigte. Vergangene Woche wurden in Athen an einem einzigen Tag zwölf Brandanschläge auf die Büros von Richtern, Staatsanwälten und Politikern verübt.

Michalis Chrysochoidis, Sicherheitsexperte der oppositionellen Sozialisten, klagt, in Athen drohten „Zustände wie in Kabul oder Kolumbien“. Das mag eine Übertreibung sein. Aber welches Gewaltpotenzial sich aufgestaut hat, zeigten die tagelangen schweren Unruhen, die im Dezember nach dem tödlichen Schuss eines Polizisten auf einen 15-Jährigen ausbrachen. Angesichts der hohen Jugendarbeitslosigkeit und der katastrophalen Missstände im griechischen Erziehungswesen sind offenbar viele Jugendliche empfänglich für anarchistische Ideen – ein Reservoir, aus dem Terrorgruppen neue Mitglieder rekrutieren könnten.

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