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Jung trifft alt. Generationsübergreifender Protest am Samstag gegen die aktuelle Atompolitik der Regierung.

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Update

Anti-Atomkraft-Demo: Generationen demonstrieren gegen Atomkraftwerke

Zehntausende Menschen haben sich in Berlin versammelt, um gegen die weitere Nutzung der Atomenergie zu protestieren. Der Protest richtet sich besonders gegen mögliche länger Laufzeiten der Atomkraftwerke. Jung, alt, ganze Familien: Die Demo zieht mehrere Generationen an

Zehntausende Menschen demonstrieren am Samstag in Berlin gegen einen Weiterbetrieb der deutschen Atomkraftwerke und gegen die Energiepolitik der Regierung. "Wir werden der Bundesregierung zeigen, dass sie mit ihrem atompolitischen Kurs nicht durchkommt", sagte der Sprecher der Organisation ausgestrahlt, Jochen Stay. Die Demonstranten ziehen friedlich durch die Innenstadt und "umzingeln" das Regierungsviertel.

"Einfach überwältigend. Das ist hier ein bunter Mix aus Protestumzug und Love Parade. Ein Demo-Happening. Man hat das Gefühl, die alte Anti-Atomkraftbewegung lebt voll wieder auf." So beschreibt Michael Stollowsky das Geschehen vor Ort am Samstagnachmittag. "Ich stehe in der Nähe des Friedrichstadtpalastes. Die Straße ist proppenvoll, alles singt, tanzt, von Lautsprecherwagen der Berliner Clubs und der Globalisierungsgegner Attac dröhnt Rock bis Heavy Metall. Große Gruppen haken sich unter, rufen Slogans, rennen dabei Arm in Arm los." Überhaupt: Auf allen Straßen sei die alte Anti-Atomkraft-Sonne auf tausenden Fahnen zu sehen.

"Die Protestler  sind altersmäßig total gemischt. 20-Jährige laufen neben  Leuten, die ihre Großeltern sein könnten. Ganze Familien sind auf den Beinen, mit Kind und Kegel. Ein überwiegend bürgerliches Publikum also. Erprobte Anti-Atomkraft-Kämpen aus den 70er und 80ern tuckern auf Treckern langsam durch die Menge. Traditionskämpfer aus Gorleben sind das, mit weißen, wehenden Haaren. Dahinter trommeln junge Männer auf gelbe Tonnen, die sie vor sich herrollen. "Atommüll" steht symbolisch darauf." Die Partei Die Linke habe einen eigenen Block, Gregor Gysi marschiere vorneweg.  Die "Jungen Grünen" seien auch geschlossen unterwegs. "Man hat den Eindruck, vom Hauptbahnhof, wo die Sonderzüge aus ganz Deutschland ankommen, strömen immer mehr Menschen nach Mitte."

Die Veranstalter gaben die Zahl der Demonstranten am Nachmittag mit etwa 100.000 an. "Das Regierungsviertel wurde nicht nur umzingelt, sondern geflutet", sagte ein Sprecher. "Der heutige unerwartet breite Protest zehntausender Menschen zeigt: Die Bevölkerung duldet keine Klientelpolitik für Atomkonzerne auf Kosten ihrer Sicherheit", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der Organisationen ausgestrahlt, Campact, BUND und Naturfreunde. Die Polizei bezifferte die Zahl der Teilnehmer lediglich mit "deutlich mehr als 30.000".

Eine zunächst geplante Kundgebung vor dem Reichstagsgebäude war gerichtlich untersagt worden. "Wir lassen jetzt nicht mehr locker, bis wir die Regierungspläne gekippt haben und die Atomkraftwerke endlich stillgelegt werden", kündigte Stay weitere Proteste an.

"Die von der Bundesregierung ausgehandelte Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken ist ein schmutziger Deal zu Gunsten der Akw-Betreiber RWE, Eon, EnBW und Vattenfall", sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin am Rande der Kundgebung. Er verurteilte den Atomkurs der Regierung als "energiepolitisches Fiasko". Ko-Fraktionschefin Renate Künast sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung": "Frau Merkel soll den Tag bereuen, an dem sie vor den Energiekonzernen in die Knie gegangen ist."

"Die Union macht sich zum Handlanger der Konzerne“, warf auch SPD-Chef Gabriel der Regierung vor. "Frau Merkel hat unterschätzt, dass jetzt wieder ein gesellschaftlicher Großkonflikt ausbricht, den wir bereits befriedet hatten", sagte er am Rande der Kundgebung. Das werde die Kanzlerin bei den nächsten Wahlen merken.

Zu der Protestkundgebung unter dem Motto "Atomkraft: Schluss jetzt!" hatte ein breites Bündnis aus Umweltverbänden, Gewerkschaften, Parteien und Bürgerinitiativen aufgerufen. Auch SPD, Grüne und Linke unterstützten die Protestaktion. Hintergrund ist der Beschluss von Union und FDP, die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke um acht bis 14 Jahre zu verlängern.

Der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister (CDU) warnte unterdessen vor einer voreiligen Festlegung auf Gorleben als Standort für ein Atommüll-Endlager. Es sei noch nichts entschieden und die Prüfung des Salzstocks könne "einige Jahre dauern", hob McAllister hervor. „Spätestens dann muss eventuell die Standortsuche weitergehen“, fügte er hinzu.

Die Koalitionsfraktionen planen nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung", das von der Regierung geplante Energiekonzept in zentralen Punkten abzuschwächen. So solle der Wärmebedarf von Gebäuden bis 2050 statt um 80 Prozent nur um 60 Prozent gemindert werden und auch nur, falls dies wirtschaftlich sei, hieß es. (mit AFP)

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