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Hasserfüllt. Auf eine Mauer in Jerusalem wurde eine antichristliche Parole gesprüht.

© AFP

Antichristliche Attacken in Israel: Das doppelte Feindbild

Die Stimmung im Heiligen Land ist angespannt. Vor dem Besuch von Papst Franziskus häufen sich in Israel antichristliche Übergriffe. Was steckt hinter diesen Provokationen?

„Das ist eine schleichende Eskalation“, warnt Pater Nikodemus von der Dormitio-Abtei auf dem Zionsberg in Jerusalem. „Die Polizei sagt, sie habe das im Griff und gehe härter vor, aber das ist lächerlich“, sagt der Geistliche aufgebracht. Dass er als Christ in Kutte in der Altstadt Jerusalems immer wieder bespuckt und verbal attackiert wird, daran hat er sich mittlerweile gewöhnt. Doch dass nun auch Pilger angegriffen werden und die Polizei die zunehmenden Attacken gegen Christen als Vandalismus von ein paar Jugendlichen abtut, geht selbst ihm zu weit.

„Einige unserer Angestellten kommen nicht mehr zur Arbeit, weil sie Drohbriefe erhalten. Und das wird auf die leichte Schulter genommen. Ich habe da große Bedenken“, sagt Pater Nikodemus. Auch auf Internetblogs radikaler jüdischer Gruppen sei mittlerweile zu lesen, der Papst sei ein Antisemit und nicht willkommen. Die Stimmung in Israel vor dem Papstbesuch ist angespannt.

"Tod den Arabern und Christen"

Ganz neu sind die sogenannten Price-tag-Attacken – also Preisschild-Attacken – nicht: Die Christen in Israel müssen seit mehr als zwei Jahren damit leben, dass radikale jüdische Gruppen immer wieder antichristliche Hassparolen wie „Jesus war ein Hurensohn“ oder „Tod den Arabern und Christen“ an Kirchenmauern schmieren, Autoreifen zerstechen oder Mönche, Nonnen und Priester in der Altstadt Jerusalems bespucken und beschimpfen. Ursprünglich richteten sich Attacken dieser Art nur gegen Araber und waren als eine Art „Heimzahlung“ – also Preis – für jegliche Aktionen gegen die Siedlerbewegung im Westjordanland gemeint. Seit einiger Zeit sind aber auch die Christen im Land betroffen. „Die Attacken werden häufiger und intensiver. Ein Mann hat erst kürzlich sogar persönlich einen unterschriebenen Drohbrief bei uns abgegeben“, erklärt David M. Neuhaus, Vikar im Lateinischen Patriarchat in Jerusalem.

Neu ist laut Pater Nikodemus auch, dass nun auch die Region Galiläa im Norden des Landes betroffen ist. So habe vor gut zwei Wochen eine Gruppe Jugendlicher in Begleitung eines Erwachsenen in der Brotvermehrungskirche am See Genezareth einen Altar mit Schlamm beschmiert und Kreuze zerstört. Zwei Pilger aus Deutschland und aus Litauen seien beschimpft und mit Steinen beworfen worden.

Gewalt nur von einer radikalen Minderheit

Polizeisprecher Mickey Rosenfeld beschreibt die Täter größtenteils als Jugendliche, die randalieren, anstatt nachts in einen Club zu gehen und sich zu betrinken. Vikar David Neuhaus sieht dagegen in den Attacken ein gesellschaftliches Problem: Der Diskurs einiger Politiker legitimiere Rassismus. „Vielleicht glauben einige Politiker und Sicherheitskräfte, dass es noch nicht so ernst ist. Aber Dinge beginnen damit, wie wir übereinander sprechen und wie wir uns gegenseitig definieren. Und wenn Christen und Muslime Götzenanbeter genannt werden, die hier nicht hingehören und Feinde des jüdischen Volkes sind, dann führt das zu einem Diskurs, der wiederum zu Taten führt, die wir aus der Vergangenheit kennen.“

Dennoch ist es bisher nur eine kleine Randgruppe, die die Christen und Araber angreift. Die Mehrheit der israelischen Gesellschaft ist genauso erschüttert wie die Christen selbst: So sagte der renommierte israelische Autor Amos Oz laut Berichten der israelischen Tageszeitung „Haaretz“, dass „das Monster beim Namen genannt werden sollte“ und sprach von „hebräischen Neonazis“.

Um die christlich-jüdischen Beziehungen im Land steht es allgemein gut, wie nicht nur Pater Nikodemus betont. „Die Zusammenarbeit zwischen Christen und Juden wächst, wir schätzen und gegenseitig“, sagt Josh Weinstein, Direktor des Knesset-Ausschusses für christliche Verbündete und verweist auf die steigende Zahl der Christen, die in der israelischen Armee dienen.

Mittlerweile haben einige Politiker auf die Angriffe reagiert: Verteidigungsministerin Zipi Livni und der Minister für Öffentliche Sicherheit, Jitzhak Aharonowitsch, wollen laut „Haaretz“ das Kabinett darum bitten, die Gruppen hinter den Pricetag-Attacken als terroristische Organisationen einzustufen. Dann könnten Mitglieder auch ohne Prozess inhaftiert werden. Die Sorge um die Sicherheit des Papstes während des Besuches in Israel hält sich hingegen in Grenzen. Christliche Vertreter vertrauen darauf, dass die Sicherheitskräfte dafür sorgen werden, dass der Papst nicht mit solchen Attacken konfrontiert wird. Gleichwohl sind sie beunruhigt über die Zukunft des Landes.

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