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Politik: Appell zum Nachdenken

Verteidigungsminister Struck streitet energisch für die Wehrpflicht. Doch manche in der Koalition planen schon ohne sie

Von Robert Birnbaum

Immer wenn das Stichwort „Wehrpflicht“ fällt, knirscht es vernehmlich in der rot-grünen Koalition. So auch diesmal. Als Verteidigungsminister Peter Struck am Mittwoch im Kabinett seine neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR) vorstellte, meldete sich der Kollege Außenminister. Namens der Grünen gab Joschka Fischer zu Protokoll, dass Strucks Erlass sehr schön und richtig, jedoch eine „Kleinigkeit“ anzumerken sei: Wenn Struck in seinem Erlass die Wehrpflicht als „unverzichtbar“ bezeichne, dann gelte diese Festlegung nur vorbehaltlich der im Koalitionsvertrag vereinbarten Überprüfung der Wehrverfassung.

Struck nahm das zur Kenntnis, und die Ministerrunde nahm im Gegenzug seine Richtlinie zur Kenntnis. Den Vorgang rechnen sich die Grünen als Erfolg an. „Mehr war vielleicht gewünscht, mehr war es aber nicht“, stichelte Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck geheimnisvoll. Das „Mehr“, das er meinte, war ein Kabinettsbeschluss. Formal ist der nicht notwendig, denn die Verteidigungspolitischen Richtlinien erlässt der Minister in eigener Machtvollkommenheit für seinen Dienstbereich. Tatsächlich sind aber alle früheren VPR vom Kabinett beschlossen worden. „Da haben wir gesagt: Das machen wir nicht“, sagt Beck.

Vielleicht liegt es an dieser Vorgeschichte, dass Struck bei der Vorstellung seiner neuen Leitlinien über Auftrag und Gestalt der Bundeswehr ein besonders energisches Bekenntnis zur „größten Wir-AG Deutschlands“ ablegte : „Ich bin ein entschiedener Befürworter der Beibehaltung der Wehrpflicht.“ Natürlich werde mit dem Koalitionspartner zu sprechen sein, und das bald. Aber erst einmal werde die SPD-Fraktion sich festlegen, und zwar noch vor der Sommerpause. Das, sagt Struck, habe er der Kollegin Renate Schmidt versprochen. Die Familienministerin lässt derzeit eine Kommission über die Zukunft des Zivildiensts nachdenken, wobei ein Denkpfad sich mit der radikalen Vorstellung befassen soll, dass der Zivildienst gar keine Zukunft hat, weil der Wehrdienst fällt.

Für die Grünen ist allein dieser Auftrag zum Nachdenken ein Hinweis darauf, dass sich Struck mit dem Plädoyer für die Wehrpflicht schon auf einem „Rückzugsgefecht“ (Beck) befindet. Das allerdings kann noch sehr lange dauern. Schien es noch vor kurzem ausgemacht, dass der Wehrdienst bald von neun auf sechs Monate verkürzt wird, wird im Hause Struck zunehmend darüber nachgedacht, es doch im Wesentlichen bei der heutigen Dauer zu belassen. Einerseits drängen die Militärs nach wie vor darauf, dass sie von den mit viel Aufwand ausgebildeten Rekruten wenigstens ein paar Monate lang etwas haben. Andererseits spielt auch hier der Zivildienst hinein: Schon heute verzichten Hilfs- und Pflegedienste auf Zivis, weil deren Ausbildung im Verhältnis zur effektiven Dienstzeit zu teuer ist.

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