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Villa am Meer. Über die Herkunft des Besitzes der Familie Mubarak - hier eines der Feriendomizile - gibt es viele Spekulationen.

© Hady Khandani / vario images

Arabische Welt: Die Absahner verlieren jeden Kredit

Kairo will die Vermögen von Ägyptens Ex-Präsident Hosni Mubarak und seinen Günstlingen einfrieren lassen – mithilfe der EU.

Für die Demonstranten sind sie alle Diebe und Betrüger – Hosni Mubarak, seine Familie und deren reiche politische Steigbügelhalter. Politische Macht schafft Reichtum und Reichtum beschert politische Macht, jahrzehntelang funktionierten so die autokratisch-wirtschaftlichen Seilschaften des Regimes am Nil. Und nicht so sehr der 82-jährige frühere Staatschef selbst, sondern seine Söhne Alaa und Gamal standen im Zentrum dieser lukrativen Netzwerke, die alle Beteiligten reich machten. Sie beide kanalisierten den Zugang zum Präsidentenpalast und garantierten ihren Günstlingen auf diese Weise lukrative Steuerprivilegien, staatliches Land zu Spottpreisen für riesige Immobilienprojekte sowie billige Kredite bei den hörigen Staatsbanken. Mit in der Riege der Absahner waren auch die meisten Minister und viele Abgeordnete, die ihr erschwindeltes Vermögen teilweise in Europa angelegt haben sollen. Das jedenfalls vermutet die Übergangsregierung in Kairo und wandte sich Anfang der Woche mit Hilfeersuchen an Frankreich, England und Deutschland. Parallel dazu leitete Ägyptens Justiz gegen frühere Kabinettsmitglieder Ermittlungen wegen Unterschlagung und Betrug ein, darunter Ex-Premier Ahmed Nazif sowie den verhassten Innenminister Habib al Adly. Alle dürfen bis auf weiteres das Land nicht verlassen.

Am Freitagabend, wenige Stunden nach Mubaraks Sturz, hatte bereits die Schweiz erklärt, man werde alles Eigentum des 82-Jährigen und seiner Günstlinge aufspüren und sicherstellen. Am Dienstag nahmen dann die EU-Finanzminister das Thema mit auf ihre Tagesordnung. „Es gibt ein Rechtshilfeersuchen der ägyptischen Regierung an mehrere Mitgliedstaaten – auch an uns“, bestätigte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Rande des Treffens in Brüssel. „Wir prüfen das. Das wird kurzfristig auch entschieden werden.“ Details nannte er nicht. Die Anfragen richten sich an die einzelnen Staaten und nicht an die EU als Ganzes. Auch eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton bestätigte, dass in einigen Ländern Anfragen des ägyptischen Außenministeriums vorlägen. Der zurückgetretene Präsident Husni Mubarak und seine Familie zählten aber nicht zu den Betroffenen, stellte sie klar. Die Vermögen von Tunesiens Ex-Diktator Ben Ali, seiner Frau Leila Trabelsi sowie 46 Günstlingen hatte Brüssel bereits Anfang Februar eingefroren – und Ägypten wird wohl in Kürze folgen.

Wie reich allerdings Mubaraks und seiner Familie in Wahrheit sind, das weiß zur Stunde niemand. Gerüchten zufolge hat der Clan in den vergangenen 30 Jahren bis zu 70 Milliarden Dollar beiseite geschafft, deponiert auf britischen und schweizerischen Banken, sowie angelegt in Immobilien in London, New York und Los Angeles. US-amerikanische Quellen dagegen bewerten solche Angaben als weit übertrieben. Sie taxieren den Besitz der ehemaligen Herrscherfamilie eher auf zwei bis drei Milliarden Dollar. Wie ein Dokument bei Wikileaks belegt, hatte die Oppositionsgruppe „Kefaya“ bereits 2006 in einem 274-seitigen Weißbuch Korruptionspraktiken von Mubaraks Söhnen Alaa und Gamal, sowie seiner Ehefrau Suzanna zusammengetragen, ohne jedoch handfeste Beweise liefern zu können. „Jetzt werden wir alle Unterlagen durchforsten“, kündigte George Ishak von der „Koalition für Wandel“ an, die den Umsturz mitorganisiert hat. „Wir werden jeden unter die Lupe nehmen, die Familien der Minister, die Familie Mubaraks – jeden Einzelnen.“

Sohn Gamal jedenfalls gründete 1996 in London mit zwei Partnern eine Investmentfirma, die heute über eine Strohfirma auf Zypern in Ägypten am Öl- und Gasgeschäft, der Tourismusbranche und dem Agrarsektor beteiligt ist. Auch soll er enge Drähte zur größten ägyptischen Investmentbank EFG Hermes haben, die in den vergangenen fünf Jahren die meisten der lukrativen Privatisierungen ägyptischer Staatskonzerne zugeschustert bekam.

Wie schwer aber solche korrupten Selbstbereicherungen aufzudecken sind, lässt sich an der Villa im Londoner Stadtteil Knightsbridge ablesen, in der Mubaraks Söhne und seine Frau seit vielen Jahren ihr zweites Zuhause haben. Offiziell gehört das 16-Millionen-Dollar teure Anwesen nach Informationen der „New York Times“ einer Anwaltskanzlei auf den Panama-Inseln. Und diese erhält ihre Weisungen von einer Firma in Muscat, der Hauptstadt des Oman.

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