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Politik: Arbeite nie vor dem Frühstück

Wie ein Treffen bei Tisch in Kreuth Alarm auslöste

Von Robert Birnbaum

Kreuth - Das Frühstück spielt in der jüngeren Geschichte politischer Personalentscheidungen eine gelegentlich sehr entscheidende Rolle. Es hat darum etliche aufhorchen lassen, als am Dienstag im Wildbad Kreuth die Parole umging, der Horst Seehofer und der Karl-Theodor zu Guttenberg hätten miteinander gefrühstückt. Gab es etwa eine Aussprache zwischen dem bedrängten Chef und dem Nachwuchsstar? Es ist aber ein Fehlalarm gewesen, weil die beiden im Frühstücksraum einfach nur so an einem Tisch saßen und auch nicht bloß zu zweit.

Trotzdem ist Seehofer an diesem zweiten Tag der Landesgruppenklausur im Tegernseer Tal nachgerade aufgekratzt. An Margot Käßmann kann das nicht gelegen haben. Die evangelische Ex-Bischöfin war am Vorabend beim Kamingespräch zu Gast. Die Berichte schwanken zwischen gelinder Euphorie darüber, dass Käßmann zum Beispiel in Sachen EU-Beitritt der Türkei voll auf christsozialer Linie lag, und der eher nüchternen Vokabel „Plauderrunde“. Nein, Seehofers relativ gute Laune hat andere Gründe. Er hat leisen Grund zur Hoffnung, dass Guttenberg ihn nicht so schnell stürzen wird. Am Vortag hatte der CSU-Chef – nicht zum ersten Mal, aber deutlich – angekündigt, dass er beim Parteitag in Herbst wieder antreten werde. Ob das auch gelte, wenn Guttenberg aufzeige? Er habe nichts gegen demokratische Auswahl, gab Seehofer zurück. Das hat einen kurzen Windstoß in den Nachrichten ausgelöst, von wegen „Seehofer geht auch in Kampfkandidatur“. In Wahrheit hieß die Bemerkung maximal so viel wie: Wenn wer was werden will, muss er sich schon lautstark melden. „Es wird keine Kampfkandidatur geben“, sagt ein Spitzen-CSUler kategorisch, was stimmt: Entweder bleibt Seehofer oder Guttenberg zeigt auf und wird es dann.

Im Moment sieht niemand einen Grund, auf Ablösung des Parteivorsitzenden zu drängen. Nach einem Jahr Abwärtsfahrt in den Umfragen weist die letzte Erhebung wieder sachte bergauf; der nächsten in einer Woche sieht Seehofer freudig entgegen. Gute Umfragen stabilisieren die CSU und ihren Chef, selbst wenn die guten Werte Guttenberg zugeschrieben werden. Seehofer hat erkannt, dass es nicht mehr so streng nach Putsch riecht. Er würde sich freuen, sagt er sogar, in einem Jahr hier in Kreuth alle wieder zu sehen. Was ihm denn, fragt jemand zurück, die Gewissheit gebe, dass Guttenberg ihn nicht bis dahin abgelöst habe? „Das entspricht meiner Erlebniswelt“, sagt Seehofer. Das zweite Erlebnis nach dem Frühstück kann er aber nicht gemeint haben. Wie nämlich Guttenberg und er sich zufällig an der Tür zum Tagungshaus trafen, und wie er einen Spaß machen wollte. „Ich gehe“, sagte Seehofer, „du kommst.“ Guttenberg drehte sich zu den Kameras um, lächelte in die Linsen und sprach: „Das ist ein Prophet!“ Robert Birnbaum

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