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Arbeitslosengeld I: Rüttgers' Mission

Jürgen Rüttgers hat eine Mission: Er will seiner Partei ein sozialeres Profil verpassen. Doch mit seinen Plänen löste er vor dem am Montag beginnenden Bundesparteitag eine heftige Kontroverse aus.

Düsseldorf - Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident steht mit seinem Vorstoß in der Tradition seines Landesverbandes und hat zugleich zwei wichtige Daten vor Augen: Die Bundestagswahl 2009 und die Landtagswahl 2010. Seit Monaten wiederholt Rüttgers, dass "wirtschaftliche Vernunft und soziale Gerechtigkeit" zusammengehören. Seine Forderungen, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I stärker an die Dauer der Beitragszahlung zu koppeln und das Altersschonvermögen von Hartz-IV-Empfängern aufzustocken, formulierte er bereits im vergangenen Jahr im Landtagswahlkampf und verankerte sie dann im Sommer 2005 im Koalitionsvertrag mit der FDP. Obwohl sein Ruf zunächst verhallte, hielt er hartnäckig Kurs und wartete auf seine Chance.

Heftig fielen die Reaktionen aus der CDU auf die Äußerungen von Rüttgers aus, die Partei müsse sich von "Lebenslügen" verabschieden. Mitten im politischen Sommerloch, mit einer provokanten Wortwahl und angesichts sinkender Umfrageergebnisse für die Union traf er damals einen Nerv und platzierte mit einem Paukenschlag seine Thesen in der Programmdiskussion der Christdemokraten.

Das "soziale Gewissen" der CDU

Verpflichtet ist der Politiker dabei seinem Landesverband, der sich als das "soziale Gewissen" der CDU versteht. Rüttgers wirbt dafür, neben der wirtschaftlichen wieder die soziale Kompetenz stärker in den Mittelpunkt der Parteidebatte zu stellen. In einem Aufsatz formulierte er Eckpunkte für eine "Politik der neuen Sicherheit". Diese müsse "die Gewissheit vermitteln, dass am Ende der Reformen das Leben wieder sicherer ist, nicht unsicherer und schwieriger". Nur so könnten die Bürger auf dem notwendigen Reformkurs mitgenommen werden.

Bestärkt fühlt sich Rüttgers dabei offensichtlich durch zwei einschneidende Erlebnisse im vergangenen Jahr. Nach 39 Jahren gelang es der NRW-CDU im Mai 2005, die SPD als Regierungspartei in ihrem Stammland abzulösen. Sie punktete mit ihrem Kurs damals bei Arbeitnehmern und Arbeitslosen, darunter viele durch die "Agenda 2010" enttäuschte Stammwähler der Sozialdemokraten. "Der Vorsitzende der Arbeiterpartei in NRW bin ich", erklärte Rüttgers am Tag nach der Wahl. Eine Garantie, dass er den Erfolg bei der nächsten Wahl wiederholen kann, hat er dennoch nicht.

Wildern auf rotem Terrain

Nicht von ungefähr wildert der Politiker daher mit seinen Forderungen im angestammten Revier der SPD, dem Feld der sozialen Gerechtigkeit. Rüttgers geht es dabei auch um die Mehrheitsfähigkeit der Bundes-CDU. Dass es trotz hervorragender Umfragewerte bei der Bundestagswahl doch nur für eine große Koalition reichte, habe vor allem am nüchternen Reformkurs der Union im Wahlkampf gelegen, heißt es in Düsseldorf hinter vorgehaltener Hand. "Ich habe immer gesagt: Wahlen werden in der Mitte gewonnen", betonte Rüttgers jüngst in einem Interview. Wenn die Union bei der Bundestagswahl 2009 wieder über 40 Prozent kommen solle, brauche sie die Stimmen der Arbeitnehmer.

Dass Rüttgers mit seinen Forderungen einen wunden Punkt der SPD trifft, zeigen sowohl die Reaktionen der Sozialdemokraten als auch die Zustimmung von den Gewerkschaften. Der Ministerpräsident sei nur vermeintlich sozial und ein "rot lackierter Schwarzer", kritisierte der Chef der NRW-SPD, Jochen Dieckmann, noch am Wochenende. Und musste sich kurze Zeit später von DGB-Landeschef Guntram Schneider sagen lassen, dass die Vorschläge von Rüttgers auch bei SPD-Anhängern auf "fruchtbaren Boden" fielen. (Von Wibke Busch, ddp)

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