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Politik: Arbeitslosigkeit steigt auf neues Rekordhoch

Die Zahl der Erwerbslosen ist im Februar auf 5,216 Millionen gestiegen. Das ist der höchste Wert seit Bestehen der Bundesrepublik. Die Arbeitslosenquote stieg um 0,5 Punkte auf 12,6 Prozent. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement machte in erster Linie statistische Effekte für den Anstieg verantwortlich.

Nürnberg (01.03.205, 16:20 Uhr) - Die Arbeitslosigkeit hat im Februar einen neuen Nachkriegsrekord erreicht. Wegen des harten Winters, der Hartz-IV-Reform und der schwachen Konjunktur sei die Erwerbslosenzahl um 177.000 auf 5.216.000 gestiegen, teilte die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Dienstag in Nürnberg mit. Dies waren 575.000 mehr als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote stieg um 0,5 Punkte auf 12,6 Prozent. Vor einem Jahr hatte sie bei 11,1 Prozent gelegen.

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sprach sich für eine Beibehaltung des aktuellen Kurses in der Arbeitsmarktpolitik aus, auch wenn die jüngsten Zahlen «bedrückend» seien. «Wir müssen jetzt das Rückgrat haben, die Reformen entschieden weiter umzusetzen», sagte er am Dienstag bei seinem Besuch im Emirat Katar. Es komme darauf an, das Wirtschaftswachstum zu stärken und die Arbeitskosten zu senken.

Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) machte vor allem statistische Effekte für den Anstieg verantwortlich. Der durch die Hartz-IV-Reform bedingte Zuwachs liege seit Dezember 2004 bei etwa 360.000 Personen. Ohne Hartz IV läge die Arbeitslosenzahl derzeit bei 4,85 Millionen und damit auf dem Stand von Anfang 1998, sagte Clement in Berlin.

Auch nach Darstellung von BA-Vorstandschef Frank-Jürgen Weise erklärt sich die Zunahme zum größten Teil daraus, dass 360.000 bis 370.000 ehemalige Sozialhilfebezieher nun als Arbeitslose registriert werden. Etwa 130.000 bis 140.000 seien allein im Februar dazugekommen. «Die Zahl der Arbeitslosen ist gestiegen, das Ausmaß der Arbeitslosigkeit ändert sich aber nicht», betonte Weise.

Allerdings sind die Februar-Zahlen nach Angaben Weises noch mit «Unschärfen» belastet. So gebe es bei den 69 Städten und Kreisen, die ihre Langzeitarbeitslosen in Eigenregie betreuen, noch rund 76.000 ungeklärte Fälle. Ein Teil von ihnen werde wohl im Laufe der nächsten Wochen Eingang in die Arbeitsmarktstatistik finden, gab BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt zu bedenken. Technische Probleme hätten die Übermittlung der Daten bislang verhindert.

Alt geht davon aus, dass bis Ende März endgültig Klarheit über die Höhe der erwerbsfähigen und damit künftig als arbeitslos geltenden Sozialhilfeempfänger besteht. «Ich hoffe, dass die Zahlen dann komplett in die BA-Statistik eingeflossen sind», unterstrich er. Wie hoch die Zahl am Ende ausfallen werde, hänge davon ab, wie viele Familienangehörige von erwerbsfähigen Sozialhilfeempfängern sich noch arbeitslos meldeten und wie viele bei der Überprüfung ihrer Erwerbsfähigkeit durchfielen.

Die schwache Konjunktur hat nach Berechnungen der Bundesagentur die Zahl der Arbeitslosen im Februar um 10.000 bis 20.000 ansteigen lassen. Das schwache wirtschaftliche Wachstum belaste weiterhin den Arbeitsmarkt, unterstrich die BA-Führung. Auch für März erwartet die Bundesagentur mehr als fünf Millionen Arbeitslose. «Eine weitere Steigerung der Erwerbslosenzahl wird es aber nicht mehr geben», sagte Alt. Der BA-Vize rechnet damit, dass die Zahl der Arbeitslosen saisonal bedingt im Laufe des Frühjahrs um rund 500.000 zurückgehen wird. Sobald die kommunalen Arbeitsgemeinschaften voll arbeitsfähig seien, werde auch von ihrer Vermittlungsarbeit ein senkender Effekt ausgehen.

Internationale Statistik zählt 3,99 Millionen Erwerbslose im Januar

Nach einer erstmals veröffentlichten Stichprobenbefragung des Statistischen Bundesamtes lag die Zahl der Arbeitslosen im Januar mit 3,988 Millionen deutlich unter dem amtlichen Wert von 5,037 Millionen. Die Quote betrug nach dieser Zählung, die sich an den strengeren Standards der Internationalen Arbeitsorganisation ILO orientiert, 9,4 Prozent.

Die Arbeitslosigkeit soll damit international besser vergleichbar werden. Allerdings hat auch das neue ILO-Verfahren nach Angaben des Bundesamtes die Position Deutschland in der internationalen Rangfolge kaum verändert. Von 19 OECD-Staaten rangiere die Bundesrepublik auf der Basis der jüngsten Erhebung auf Platz 15 hinter Frankreich. Auf der Basis geschätzter Werte hatte Deutschland auf Platz 16 gelegen.

In Westdeutschland waren im Februar bei den Agenturen für Arbeit offiziell 3.421.000 Arbeitslose gemeldet. Das waren 154.000 mehr als im Januar und 476 000 mehr als im Februar 2004. In Ostdeutschland waren 1.795.000 Männer und Frauen offiziell als arbeitslos registriert - 23.000 mehr als im Vormonat und 100.000 mehr als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote lag im Westen bei 10,4 Prozent, im Osten bei 20,7 Prozent.

Union: Regierung in der Arbeitsmarktpolitik gescheitert

Die Union warf der rot-grünen Regierung angesichts des neuen Rekords bei den Arbeitslosenzahlen ein Scheitern in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik vorgeworfen. «Dies ist ein katastrophaler Tag für Deutschland», sagte Vize-Unionsfraktionschef Ronald Pofalla am Dienstag mit Blick auf die rund 5,2 Millionen Arbeitslosen im Februar. Noch nie seit Gründung der Bundesrepublik seien so viele Menschen ohne Arbeit gewesen. CDU-Chefin Angela Merkel hielt der Bundesregierung Untätigkeit vor. Die SPD warnte die Union davor, «mit Horrorgemälden im Trüben zu fischen». Der Anstieg sei vor allem auf statistische Effekte durch die Hartz-IV-Reform zurückzuführen.

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) forderte die Regierung im RBB-Inforadio zu weiteren Reformen etwa bei der Unternehmenssteuer auf. Hier zeichne sich aber keine Bewegung ab: «Der Bundeskanzler hat entschieden, dass das Thema in diesem Jahr nicht mehr auf die Tagesordnung kommt.» Der Chef der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Michael Glos, sagte, die Massenarbeitslosigkeit habe sich zum sozialen Sprengsatz entwickelt und die Staatsverschuldung sei explodiert. «Dies ist die verheerende Bilanz von sechs Jahren rot-grüner Regierungsverantwortung.»

SPD-Vize-Fraktionschef Ludwig Stiegler betonte, der Anstieg beruhe in erster Linie auf der politischen Entscheidung, alle arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger wieder in den Erwerbsprozess einzugliedern. «Die normale Arbeitslosigkeit fällt nicht aus dem Rahmen.» Der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, forderte die Unternehmen auf, Arbeitsplätze zu schaffen. Es sei ein Skandal, dass gerade große Unternehmen ihrer sozialen und gesellschaftlichen Verpflichtung nicht nachkämen, sagte er im Deutschlandfunk. (tso) ()

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