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Arbeitsmarkt: Bundesagentur für Kombilohn-Modelle

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) plädiert für einen Ausbau der in der großen Koalition umstrittenen Kombilohn-Modelle. Die Politiker streiten weiter. Kanzlerin Merkel wandte sich gegen einen Vorschlag von Wirtschaftsminister Glos.

Berlin/Nürnberg - BA-Vorstandschef Frank-Jürgen Weise verwies im Magazin «Der Spiegel» auf gute Erfahrungen mit diesem Arbeitsmarkt-Instrument. Man dürfe jedoch auch nicht zu viel erwarten: «Ich warne vor allzu fantastischen Hoffnungen.» Nach Darstellung von BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt bieten Kombilohn-Modelle Chancen vor allem bei der Integration von Langzeitarbeitslosen. Er bezog sich insbesondere auf so genannte Eingliedungszuschüsse. «80 Prozent haben ihren Job auch nach dem Auslaufen der Maßnahme behalten.»

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wandte sich dagegen, staatliche Zuschüsse zu Niedriglöhnen zunächst - wie von Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) vorgeschlagen - lediglich in Modellversuchen zu erproben. «Eine Lösung im Niedriglohnsektor kann kein befristetes Sonderprogramm sein», sagte sie dem «Spiegel». Union und SPD wollen laut Koalitionsvertrag in den nächsten Monaten eine Neuordnung des Niedriglohnsektors einschließlich Kombilöhnen ausloten.

Merkel sagte: «Wenn ich einen Modellversuch mache und ihn zeitlich befriste, werde ich nie herausbekommen, ob es wirklich Märkte mit zusätzlicher Beschäftigung gibt.» Die Kanzlerin zeigte sich zudem aufgeschlossen für einen gesetzlichen Mindestlohn, für den sich die SPD einsetzt. Jede Debatte über Kombilöhne müsse auch die Frage nach dem Mindestlohn beantworten. Merkel: «Wir dürfen nicht zulassen, dass in Deutschland Jobs für 50 Cent Stundenlohn angeboten werden, und den Rest regelt der Steuerzahler. Wir wollen schließlich Arbeitsplätze schaffen und keinen Selbstbedienungsladen für findige Unternehmer eröffnen.»

Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) will ein eigenes Kombilohn-Modell einführen. «Das soll zum 1. Juli geschehen», bestätigte ein Regierungssprecher am Samstag einen Bericht des Magazins «Focus». Demnach sollen Jobs mit einem Bruttogehalt von bis zu 1500 Euro bezuschusst werden.

CSU-Vize Horst Seehofer sieht in den unterschiedlichen Auffassungen zwischen CSU, SPD und CDU über Kombilöhne keinen Koalitionsstreit. «Ich sehe da keine Probleme», sagte er der dpa in Berlin. «Wenn wir vermeiden wollen, dass das Wort Nachbesserungen eine Wiederauferstehung feiert, muss man vor einer Verabschiedung eines Gesetzes nachdenken und nicht anschließend.»

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil äußerte sich in der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» sehr skeptisch zu einer dauerhaften Subvention im Niedriglohnsektor: «Ich gebe zu, ich sehe das Instrument sehr kritisch.» Seine Partei wolle die vorhandenen arbeitsmarktpolitischen Instrumente bündeln und nicht neu erfinden. Auch der stellvertretende SPD-Chef Kurt Beck äußerte sich ablehnend. Er habe die Sorge, «dass wir anfangen, in großem Stil Löhne zu subventionieren und so ein neues Schuldenloch schaffen», sagte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident der «Berliner Zeitung».

Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach erwartet von der Kabinettsklausur Anfang der Woche in Genshagen bei Berlin «zumindest eine grundsätzliche Richtungsentscheidung zu Gunsten des Kombilohns». Er sagte der «Hannoverschen Allgemeinen Zeitung» (Samstag), sinnvoll wäre, die staatlichen Zuschüsse zum Beispiel auf Langzeitarbeitslose zu konzentrieren. Denkbar wären auch Pilotprojekte in Regionen mit besonders hoher Arbeitslosigkeit.

Nach Ansicht des Bremer Wirtschaftswissenschaftlers Rudolf Hickel wäre ein Kombilohn für den Staat «ein Fass ohne Boden». Potenzielle Kombilohn-Bezieher seien 1,8 Millionen Langzeitarbeitslose, sagte er in einem dpa-Gespräch. «Nach Berechnungen liegen die Kosten pro zusätzlicher Beschäftigungsmöglichkeit mindestens bei 40.000 Euro jährlich.» Hickel warnte zugleich vor «Lohndrückerei». (tso/dpa)

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