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Arbeitsmarktpolitik: Keine zusätzlichen Einsparungen bei Hartz IV

Im Streit um die Kosten der Arbeitsmarktreform Hartz IV haben Union und SPD zumindest für das laufende Jahr einen Kompromiss gefunden. Auf die Langzeitarbeitslosen kommen danach vorerst keine weiteren Kürzungen zu.

Berlin - Drohende Mehrkosten von rund einer Milliarde Euro sollen 2006 durch Umschichtungen anderer Arbeitsmarktmittel abgedeckt werden. Darauf einigten sich die Fraktionschefs von Union und SPD, Volker Kauder und Peter Struck, sowie die Minister für Finanzen und Arbeit, Peer Steinbrück und Franz Müntefering (beide SPD), hieß es am Dienstag in Koalitionskreisen. Es sollen keine Beitragsmittel der Bundesagentur für Arbeit zum Stopfen von Haushaltslöchern genutzt werden.

Zugleich nahm aber der Streit zwischen den Koalitionspartnern um eine Revision von Hartz IV ab 2007 an Schärfe zu. Bei den Hartz IV-Kosten wolle man zunächst den Haushaltsverlauf des Jahres abwarten, hieß es in Koalitionskreisen weiter. Nach dpa-Informationen soll die Lücke unter anderem durch geringere Eingliederungszuschüsse geschlossen werden. Dies soll bis zu 1,1 Milliarden Euro bringen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Norbert Röttgen, sagte, er sehe 2006 eine Einsparungsnotwendigkeit von 1,2 bis 1,5 Milliarden Euro allein beim so genannten Fortentwicklungsgesetz.

Wie es weiter hieß, wird sich mit der Umschichtung die geplante Neuverschuldung des Bundes von rund 38 Milliarden Euro nicht erhöhen. Der Bundeshaushalt für 2006 soll an diesem Donnerstag bei der so genannten Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses endgültig festgezurrt werden. Der Entwurf sieht bei Gesamtausgaben von 261,7 Milliarden Euro allein für das ALG II Ausgaben von 24,4 Milliarden vor.

Der CDU-Haushälter Steffen Kampeter sagte, dies sei ein Kompromiss, zu dem beide Seiten stehen könnten. Wichtig sei, dass keine Beitragsmittel der Bundesanstalt für Arbeit (BA) zum Stopfen von Haushaltslöchern genutzt und Zukunftsinvestitionen zu Gunsten des Arbeitsmarktes gekürzt würden.

SPD lehnt grundlegende Änderungen ab

Die SPD lehnt die aus der Union geforderten grundlegenden Änderungen an den Hartz-IV-Gesetzen weiter strikt ab. Die Behauptung, die Arbeitsmarktreform sei gescheitert und führe massenhaft zu Missbrauch, sei "schlicht und ergreifend falsch", sagte Fraktionschef Peter Struck. Er erinnerte daran, dass die Arbeitsmarktreform im Dezember 2003 gemeinsam von der rot-grünen Regierung und der damaligen Opposition beschlossen worden sei. Als "wenig hilfreich" kritisierte Struck Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) wegen dessen Forderung nach einer Kürzung der Lehrlingslöhne.

CDU und CSU beharrten auf einer grundlegenden Nachbesserung von Hartz IV. "Aus einer Reform, die ursprünglich Einsparungen bringen sollte, ist ein Milliardengrab geworden", sagte der bayerische CSU-Landtagsfraktionschef Joachim Herrmann in München.

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil warf Glos in Fernsehsender Phoenix vor, sich zu wenig für neue Arbeitsplätze einzusetzen. Für mehr Arbeitsplätze "braucht es eine vernünftige Industrie- und Wettbewerbspolitik - und da ist in der Koalition Nachholbedarf". Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Hartmut Koschyk, verwies auf Erfolge der unionsgeführten Regierung beim Wirtschaftswachstum und sagte: "Heil sollte aufhören, Unheil in der großen Koalition zu stiften." Die Einlassungen vergifteten die Arbeitsatmosphäre.

Linksfraktion: "Hartz IV gescheitert"

BA-Verwaltungsratschef Peter Clever sagte im Deutschlandradio, Veränderungsbedarf bestehe nicht unbedingt beim Leistungssatz, sondern bei den Leistungsvoraussetzungen. Falsch sei, dass bis ins vierte Jahr der Arbeitslosigkeit Zuschläge gezahlt würden und dass das Prinzip der innerfamiliären Solidarität vollkommen aufgegeben worden sei. Dies würde auch von kommunalen Spitzenverbänden, Arbeiterwohlfahrt und Diakonie kritisiert: "Derjenige, der arbeitet, ist nicht der Glückliche, sondern in diesem System der Dumme."

Die Linksfraktion forderte die Regierung erneut zur Kehrtwende in der Arbeitsmarktpolitik auf. "Hartz IV ist gescheitert", sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin Dagmar Enkelmann. Der Fraktions- Vorsitzende Gregor Gysi sagte n-tv: "Wenn etwas teuerer ist, als man gedacht hat, dann hat man sich geirrt. Dann ist die Regierung schuld, ... und nicht die Bedürftigen." Gewerkschaften und Linkspartei riefen für diesen Samstag in Berlin zu einer Demonstration gegen die Reform-Politik der Bundesregierung auf. (tso/dpa)

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