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Argentinische Pesos

© dpa

Argentinien im Konflikt mit US-Hedgefonds: Pleitegeier über Buenos Aires

Am heutigen Montag läuft die Zahlungsfrist für argentinische Schulden aus. Wie geht es jetzt weiter?

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Die Geldwechsler in Buenos Aires haben wieder einmal Hochkonjunktur. Dollars und Euros sind heiß begehrt in der argentinischen Hauptstadt, denn über dem südamerikanischen Land kreisen wieder einmal die Geier. Schuld daran ist ein Streit zwischen internationalen Gläubigern und der argentinischen Regierung. Es geht darum, wie viel sie von dem Geld zurückbekommen, das die ehemaligen Investoren im Vertrauen auf die Einhaltung der Zahlungszusagen geliehen haben. Stichtag für die Zahlungen ist der heutige Montag.

Was sind die Hintergründe des Konflikts?

Vor gut einem Jahrzehnt war Argentinien schon einmal bankrott. Mit der Mehrzahl der Gläubiger konnte die argentinische Regierung damals einen Schuldenschnitt vereinbaren. So erhielten die Gläubiger zumindest einen Teil ihrer Investitionen zurück, einen großen Teil mussten sie aber abschreiben. Nicht alle Gläubiger ließen sich auf diesen Deal ein. Hedgefonds hatten sich damals mit argentinischen Anleihen eingedeckt, als diese wegen ihres hohen Ausfallrisikos stark im Kurs gesunken waren. Die Geldgeber beharren nun auf einer vollen Rückzahlung plus Zinsen. Sie sind im juristischen Sinne im Recht: Bislang haben alle gerichtlichen Instanzen in den USA den Hedgefonds-Managern Rückendeckung gegeben. Das führte für die argentinische Regierung zu bisweilen peinlichen Szenen: Kirchner mietete Flugzeuge, damit ihr Präsidentenflieger nicht gepfändet werden konnte. Auch argentinischen Schiffen drohte zuletzt in ausländischen Häfen die Pfändung.

Was passiert heute?

Jetzt wird heftig gepokert. Die argentinische Zentralbank hinterlegte insgesamt 832 Millionen Dollar für Zinszahlungen an Anleihehalter auf Konten der Bank of New York Mellon. Wirtschaftsminister Axel Kicillof bestätigte die Zahlung mit Symbolkraft, denn damit verstößt die argentinische Regierung eigentlich gegen die von einem US-Gericht gemachten Auflagen. Das Urteil verbietet es, andere Gläubiger zu bedienen, solange die Altschulden bei den Hedgefonds nicht getilgt sind, mit denen die Regierung im Streit liegt.

Die Folge davon ist: Zahlt Argentinien seine Altschulden nicht, schauen auch alle anderen in die Röhre. Stichtag ist der heutige Montag, an dem Argentinien seine Altschulden zurückzahlen muss. Gelingt dies nicht, tritt der Fall der sogenannten technischen Zahlungsunfähigkeit ein. Denn dann wären wegen des Urteils auch alle anderen Zahlungen blockiert. Insgesamt geht es um ein Gesamtvolumen von 15 Milliarden Dollar, denn neben den Hedgefonds sind auch noch andere Investoren beteiligt, darunter auch Kleinanleger, die gespannt verfolgen, wie das Pokerspiel zwischen Staat und Hedgefonds ausgeht. Diese Summe übersteigt aber nach argentinischen Angaben die finanziellen Reserven des Landes.

Es kann gut sein, dass das hoch pokernde Argentinien es sogar auf eine vorübergehende technische Staatspleite anlegt.

Die sogenannte RUFO-Klausel (Rights Upon Future Offers), die Argentinien verpflichtet, im Fall einer Einigung mit den Hedgefonds allen Gläubigern die Zahlungen gleichermaßen aufzubessern, gilt bis zum 31. Dezember 2014. „Es ist gut möglich, dass die Regierung einen sechsmonatigen Default eingeht, um ohne die RUFO-Klausel verhandeln zu können“, erklärte der Wirtschaftsexperte Eduardo Levy Yeyati von der Consultingfirma Elypsis. Die Börse in Buenos Aires reagierte jedenfalls gelassen am letzten Handelstag der Woche mit einem Plus von 1,1 Prozent.

Argentinien will eine Front "Lateinamerika gegen USA"

Welche politische Strategie verfolgt die argentinische Regierung?

Der Fall hat auch eine politische Dimension: Argentinien versucht aus dem Streit zwischen dem US-amerikanischen Gericht und dem Fondsmanager auch einen Streit Lateinamerika gegen USA zu konstruieren. Deswegen erhält Präsidentin Kirchner gegen die verhassten „Gringos“ politische Unterstützung aus breiten Teilen des links regierten Kontinents. Dort gelten Hedgefonds als der Inbegriff des bösen Kapitalismus, in Argentinien werden sie als „Geierfonds“ bezeichnet. Banken- und Finanzkrise haben dazu beigetragen, diese Ansicht zu verstärken.

Kirchner selbst bezeichnet die Zahlungsforderungen der Altgläubiger als Erpressung. Vor allem der Hedgefonds NML Capital und dessen Chef, der US Milliardär Paul Singer, sind in Argentinien wegen ihrer unbeugsamen Verhandlungstaktik unbeliebt und Ziel der Regierungsattacken.

Doch Präsidentin Kirchner, die während ihrer Amtszeit aufgrund von „glücklichen Investitionen“ zur Multimillionärin aufgestiegen ist, ist an der Konfrontation nach Expertenansicht mitschuldig. Sie habe das Problem jahrelang ignoriert und sich nun in eine schwierige Lage hineinmanövriert, aus der nur schwer wieder herauszufinden ist. Experten rechnen allerdings damit, dass auch nach Montag noch weiterverhandelt werden kann und wird.

Wie wirkt sich der Konflikt auf die Region aus?

Für das Land steht eine Menge auf dem Spiel: Gelingt es Kirchner nicht, eine Einigung mit den Gläubigern zu erzielen, droht nicht nur ein Staatsbankrott, sondern auch der Verlust der Glaubwürdigkeit. Argentinien würde den Status als eine Regionalmacht verlieren, in die es zu investieren lohnt. Andere Länder ziehen an der stolzen Nation vorbei, und dabei spielt deren politische Ausrichtung keine Rolle. Das vom Linkspopulisten Rafael Correa regierte Ecuador ist zu einem Investorenliebling avanciert, auch weil der Wirtschaftswissenschaftler aus Guayaquil einerseits gerne sozialistische Reden schwingt, ansonsten aber sehr pragmatische kapitalistische Entscheidungen fällt. Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass sich Ecuador bei Investitionen auf das bei Sozialisten verhasste Bankhaus Goldman Sachs verlässt.

Auch das bürgerlich regierte Kolumbien rückt in den Fokus ausländischer Investoren. Einerseits, weil der gerade erst wiedergewählte Präsident Juan Manuel Santos vor einem historischen Friedensabkommen mit der linksgerichteten Guerilla-Organisation Farc steht, andererseits weil das Land mit seinen guten Wachstumszahlen Argentinien in der Rangliste der Volkswirtschaften bereits den Rang abgelaufen hat.

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