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Die früheren Diktatoren Reynaldo Bignone und Jorge Videla müssen sich vor Gericht in Buenos Aires wegen Kinderraubs verantworten.

© dpa

Argentinien: Prozess wegen Kinderraubs durch Junta hat begonnen

Vor einem Gericht in Buenos Aires hat der erste Prozess wegen des systematischen Raubs von Kindern während der Militärdiktatur von 1976 bis 1983 begonnen. Ehemalige Verantwortliche der Militärdiktatur in Argentinien wurden angeklagt.

In Argentinien hat der erste Prozess wegen des systematischen Raubs von Kindern während der Militärdiktatur von 1976 bis 1983 begonnen. Vor einem Gericht in Buenos Aires müssen sich seit Montag die früheren Diktatoren Jorge Videla und Reynaldo Bignone sowie sechs weitere ehemalige Junta-Offiziere verantworten. Sie sollen oppositionellen Frauen nach der Niederkunft ihre Babys geraubt und diese in Junta-Familien gegeben haben.

Hilfsorganisationen zufolge wurden damals rund 500 Kinder in Geheimgefängnissen oder Folterzentren gestohlen, weil ihre Eltern Dissidenten waren oder in Ungnade gefallen waren. Ihre wahre Identität kennen heute erst etwa 100 Betroffene. Die Mütter wurden damals während der Schwangerschaft nur notdürftig am Leben gehalten. Während der Geburt wurde ihnen eine Haube über den Kopf gezogen, damit sie ihre Babys nicht sehen konnten. Später wurden die Frauen getötet, viele wurden nackt aus Militärflugzeugen über dem Meer abgeworfen.

Den systematischen Raub von Babys während der Militärdiktatur bezeichnete Staatsanwalt Federico Delgado zum Prozessauftakt als „dunkelstes Kapitel der argentinischen Geschichte“. In dem Verfahren geht es um 35 gestohlene Kinder, denen in Familien von Junta-Angehörigen eine gefälschte Identität gegeben wurde. Zu dem Prozess, der noch bis zum Jahresende andauern soll, sind rund 80 Zeugen geladen.

"Wir waren die Kriegsbeute des Regimes“, sagte der 33-jährige Leonardo Fosatti, der seinen Eltern nach seiner Geburt weggenommen wurde, vor dem Prozessbeginn der Nachrichtenagentur AFP. „Ich wurde in einer Polizeiwache geboren und von einer Familie mit reinem Gewissen adoptiert“, fügte er hinzu. Damit war er eines von wenigen Kindern, die nicht in einer Familie von Junta-Angehörigen untergebracht wurden.

Der 85-jährige Videla war im Dezember wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Videla hatte 1976 einen Putsch mitangeführt und stand bis 1981 an der Spitze der Militärjunta, die noch bis 1983 in Argentinien herrschte. Während seiner Herrschaft wurden 30.000 Menschen ermordet oder verschwanden spurlos. Der 83 Jahre alte Bignone, der letzte Junta-Chef vor der Rückkehr Argentiniens zur Demokratie im Jahr 1983, wurde im vergangenen Jahr wegen Menschenrechtsverletzungen zu 25 Jahren Haft verurteilt. Er wurde der Beteiligung an Mord, Folter und Entführung in 56 Fällen für schuldig befunden. (AFP)

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