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Politik: Ariel Scharon: Ins Ausland nur nach Rückversicherung

Die Strafuntersuchung in Belgien gegen den israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon wegen angeblicher Kriegsverbrechen könnte bald Schule machen. Dann müssten zahlreiche ehemalige israelische Generäle und Geheimdienstbosse wohl um die meisten europäischen Staaten einen Umweg machen um zu vermeiden, dass sie vor Gericht gestellt werden.

Die Strafuntersuchung in Belgien gegen den israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon wegen angeblicher Kriegsverbrechen könnte bald Schule machen. Dann müssten zahlreiche ehemalige israelische Generäle und Geheimdienstbosse wohl um die meisten europäischen Staaten einen Umweg machen um zu vermeiden, dass sie vor Gericht gestellt werden.

Zwei spektakuläre Fälle weisen auf einen neuen Trend hin: Staaten verabschieden Gesetze, die ihren Gerichten erlauben, Kriegsverbrecher auch dann abzuurteilen, wenn sie ihre Untaten nicht in dem Land verübt haben, in dem sie angeklagt werden - und dies ohne Rücksicht auf die Nationalität des Angeklagten. Das belegt zum einen Spaniens Klage gegen den chilenischen Ex-Diktator Pinochet und zum anderen die laufende belgische Untersuchung gegen Scharon.

Scharon wird seit der Ausstrahlung einer - sehr tendenziösen - BBC-Dokumentation über die Massaker in den palästinensischen Flüchtlingslagern Sabra und Shatilla im Libanon von der belgischen Justiz beschuldigt, die Verantwortung für das 1982 in Beirut von christlichen Milizionären verübte Blutbad zu tragen und deshalb ein Kriegsverbrecher zu sein. Überlebende hatten Klage eingereicht. Israels erste Reaktion fiel eher gelassen aus. Tel Aviv interpretierte die Klage als politisches Manöver der Palästinenser zur Diffamierung Scharons, obgleich Israel ähnliches gegen Palästinenserpräsident Arafat versucht hatte. Doch nun wird Israel vorsichtiger.

Das israelische Außenministerium beobachtete schon seit einiger Zeit sehr aufmerksam Bestrebungen in vielen europäischen Staaten, sich Gesetze zu schaffen, um Kriegsverbrecher aus anderen Ländern aburteilen zu können. Scharon wurde von seinen Diplomaten gewarnt und strich prompt bei seiner kürzlichen Blitzvisite in Europa Brüssel vom Besuchsprogramm (angeblich aus Zeitgründen), weshalb der belgische Außenminister sich mit dem israelischen Regierungschef in Berlin traf.

Die Belgier, beziehungsweise der zuständige Untersuchungsrichter, lassen nicht locker. Die Zeugenvernehmung ist angelaufen. Scharon hat zu Recht festgestellt: "Dies ist nicht mein persönliches Problem, sondern dasjenige des Staates." Zugleich beauftragte er die als Menschenrechtsspezialistin geltende belgische Anwältin Michelle Hirsh, eine formelle Anklage gegen Scharon zu verhindern. Hirsh stellte während ihrer Beratungen in Jerusalem mit israelischen Kollegen klar, dass ihrer Meinung nach die Untersuchung gegen Scharon rechtlich unzulässig sei: "Israel hat im Jahre 1982 eine staatliche Untersuchungskommission eingesetzt, die Kahane-Kommission, welche mit allen Kriterien eines richterlichen Gremiums ausgestattet war. Zum Abschluss der Untersuchung empfand es die Kommission nicht für angebracht, solche Empfehlungen gegen Ariel Scharon abzugeben." Zu Scharons Verantwortung als damaliger Verteidigungsminister hielt Hirsh fest, dass die Kommission "nicht befunden hat, dass er kriminelle Verantwortung trage. Es war eine ethische, politische und moralische - aber nicht so eine, die man als Gesetzesverletzung bewerten könnte". Zusammenfassend sei festzuhalten: "Die Kahane-Kommission hat Scharon von krimineller Verantwortung freigesprochen, und er kann nicht ein zweites Mal vor Gericht gestellt werden."

Scharon war die treibende Kraft des israelischen Einmarschs im Libanon, wurde aber von der Kahane-Kommission nur für schuldig befunden, die Gefahr eines Massakers durch die christlichen Milizen nicht erkannt zu haben.

Nun könnten etwa Generalstabschef Schaul Mofaz und auch der Luftwaffen-Oberkommandierende unter anderem wegen Bombardierungen von Zielen in ziviler Umgebung angeklagt werden. Doch auf Grund des Präzedenzfalles Scharon werden, wenn eine "Gefährdeten-Liste" einmal erstellt werden sollte, vor allem seine Untergebenen im Libanonkrieg zuoberst auf dieser stehen, da sie den Kriterien des belgischen Gesetzes entsprechen.

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