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Politik: Arm in Arm mit dem Schurkenstaat

Nordkoreas Führer Kim Jong-Il und der russische Präsident Putin wollen wieder engere Beziehungen

Von Harald Maass, Peking

Nordkoreas Führer Kim Jong-Il überrascht seine Untertanen gerne mit kleinen Wundern. Durch seine bloße Anwesenheit soll der selbsternannte „Liebe Führer“ seltene Blumen zum Blühen bringen und die Ernteerträge verbessern, berichten die Staatsmedien. Als Kim am Freitag in der russischen Hafenstadt Wladiwostok mit Präsident Wladimir Putin zusammentraf, und sich am Himmel dunkle Gewitterwolken zusammenbrauten, war es wieder so weit. Weil er die „Sonne des koreanischen Volkes“ sei, habe Kim die Wolken eingeschüchtert und so den Regen verhindert, berichtete die amtliche nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA. Selbst die russischen Diplomaten seien ob des Naturschauspiels überrascht gewesen.

Kim Jong-Il, Nordkoreas mysteriöser Führer, ist auf einer Reise durch Russland unterwegs. Vier Tage fährt der Diktator mit dem Zug durch den russischen Osten. Die genaue Reiseroute war bis zuletzt geheim, genauso wie die offiziellen Besuchstermine. Wenn Kims Spezialzug, eine Sonderanfertigung mit luxuriösen Wohnabteilen und Speisewagen, in einer Stadt einfährt, sperren russische Polizisten den Bahnsteig. Aus Angst vor Anschlägen übernachtet Kim nicht in Hotels, sondern nur in seinem Zug.

Das Ausland beobachtet die Reise genau. Seitdem Pjöngjangs Regime im Juli das staatliche Verteilungssystem für Lebensmittel abgeschafft hat, häufen sich die Anzeichen auf eine Veränderung in dem stalinistischen Land. Pjöngjangs Führung, die sich während der Fußball-WM noch ein blutiges Seegefecht mit Südkorea lieferte, zeigt plötzlich Bereitschaft zum Dialog. Vor zwei Wochen trafen sich Minister beider Koreas zu Gesprächen in Seoul. Als humanitäre Geste soll im September wieder ein Treffen von Familien stattfinden, die durch den Krieg getrennt wurden. Auch gegenüber den beiden Erzfeinden USA und Japan signalisierte Pjöngjang Gesprächsbereitschaft.

Um kein Land bemüht sich Pjöngjang so wie um Russland. Im vergangenen Jahr war Kim Jong-Il, der in seinem Leben nur ein halbes Dutzend Mal Nordkorea verlassen hat, schon nach Russland gereist. Weil Kim nicht gerne fliegt, fuhr er auch damals mit dem Zug – 24 Tage lang. Seit Anfang des Jahres soll Kim ein regelmäßiger Gast in der russischen Botschaft in Pjöngjang sein, berichten westliche Diplomaten. Das Kalkül hinter Kims Annäherungsversuchen: Das bankrotte Nordkorea erhofft sich von dem ehemaligen Bruderstaat wirtschaftliche und militärische Hilfe. Zu Zeiten des Ostblocks war die Sowjetunion die größte wirtschaftliche Stütze Nordkoreas. Seitdem ist der Handel um 80 Prozent eingebrochen, auf 115 Millionen US-Dollar im vergangenen Jahr.

Aber auch Russland hat ein Interesse an einer Verbesserung der Beziehungen. Putin sieht Nordkorea als eine Chance, Russlands alte Stellung als Großmacht in Asien zu erneuern. Bei seinem Gespräch mit Kim in Wladiwostok mahnte er zur weiteren Annäherung zwischen Pjöngjang und Seoul. Aber auch Kim Jong-Il brachte einen Joker mit: Die Landverbindung zwischen Südkorea und Russland. Seit zwei Jahren verhandeln Pjöngjang und Seoul darüber, die unterbrochene Eisenbahnverbindung wieder fahrbar zu machen. Die wirtschaftlichen Möglichkeiten einer Zugverbindung wären enorm. Südkoreas Exportgüter könnten über die verlängerte Transsibirische Eisenbahn billig nach Europa transportiert werden.

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