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Politik: Arme zahlen weniger für Gesundheit

Bundesregierung will Sozialhilfeempfänger und bedürftige Rentner teilweise entlasten

Berlin - Die Bundesregierung will sozial Schwache bei der Gesundheitsreform zumindest teilweise von pauschalen Zusatzbeiträgen befreien. Sozialhilfeempfänger und bedürftige Rentner, die vom Staat ergänzende Grundsicherung beziehen, sollen den Zusatzbeitrag, den die Krankenkassen ab 2009 erheben können, nicht aus eigener Tasche zahlen; er wird vielmehr von den zuständigen Sozialämtern übernommen. Wer Arbeitslosengeld II bezieht, wird die Pauschale nach den Plänen der Regierung durch schnellen Krankenkassenwechsel vermeiden können. Dazu werde es ein Sonderkündigungsrecht geben, kündigte ein Sprecher von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) an. „Binnen weniger Tage“ könne man dann in eine Kasse ohne Zusatzbeitrag wechseln. Derzeit dürfen gesetzlich Versicherte erst im übernächsten Monat nach einer Beitragserhöhung wechseln.

Die Ausnahmen gelten als Zugeständnis an die Kritiker der Zusatzbeiträge. Auf Druck der Union hatte die SPD sich bereit erklärt, die Härtefallklausel für sozial Schwache („Ein-Prozent-Regel“) aufzuweichen. Zwar sollen Kassenpatienten grundsätzlich nicht mehr als ein Prozent ihres beitragspflichtigen Einkommens für Zusatzbeiträge zahlen. Die Kassen dürfen jedoch eine Pauschale von acht Euro ohne Einkommensprüfung verlangen. Wer wenig verdient, muss also unter Umständen mehr als ein Prozent seines Einkommens aufbringen.

Das neue Zugeständnis der Koalition geht der SPD-Linken jedoch nicht weit genug. „Es ist nicht akzeptabel, Empfänger von Arbeitslosengeld II in eine Billigkasse zu zwingen, wenn sie den Zusatzbeitrag nicht zahlen können“, sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach dem Tagesspiegel. Dann gebe es „ein echtes Kassenwahlrecht“ nur für diejenigen, die nicht arbeitslos seien.

Den Gesundheitspolitikern der Unions-Bundestagsfraktion gehen die Zugeständnisse der Regierung hingegen zu weit. Wenn der Staat für die Zusatzbeiträge von Sozialhilfeempfängern aufkommen wolle, solle er zumindest nicht mehr als den durchschnittlichen Zusatzbeitrag zahlen, forderte der CDU-Abgeordnete Jens Spahn. Grundsätzlich hält er es für vertretbar, von einem Geringverdiener zu verlangen, dass er sich eine neue Krankenkasse sucht. „Jeder muss bereit sein, erst einmal in eine günstigere Kasse zu wechseln“, sagte Spahn dem Tagesspiegel.

Umstritten zwischen Union und SPD ist noch, wer die Kosten für ehemalige Mitglieder der privaten Krankenversicherung trägt, die verarmt in die PKV zurückkehren dürfen, um krankenversichert zu sein. Für sie soll es einen verbilligten Basistarif geben. Grundsätzlich darf er bei den Privaten maximal 500 Euro kosten – das ist der Höchstbetrag der gesetzlichen Kassen. Arbeitslose, die durch den Beitrag unter das Existenzminimum rutschen würden, sollen nur die Hälfte zahlen. Wenn auch dieser Tarif zu teuer ist, soll der Bund nach Vorstellungen von Gesundheitsministerin Schmidt 117 Euro dazuzahlen – den Betrag, den der Bund für gesetzlich versicherte Arbeitslose übernimmt. Den Rest müssten die Versicherungsunternehmen tragen. Die Union lehnt das jedoch ab. Der Gesetzentwurf soll am Mittwoch im Kabinett verabschiedet werden.

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