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Die Flut lässt ihn nicht los: Armin Laschet (CDU) in Stolberg

© Leon Kügeler/Reuters

Armin Laschet kommt nicht in Fahrt: Der Ministerpräsident steht dem Wahlkämpfer im Weg

Das größte Bundesland zu regieren, war lange Laschets wichtigster Trumpf – bis kurz nach der Flut. Nun sucht der Kanzlerkandidat der Union einen Weg ins Freie.

Von Robert Birnbaum

Wenn Armin Laschet durchs Foyer des Konrad-Adenauer-Hauses geht, sieht er, wie die Zeit verrinnt. Auf einer Leinwand in der CDU-Zentrale zählen zwei digitale Uhren die Sekunden, die eine bis zum regulären Start der Briefwahl, die andere bis zum Wahltag. Drei Wochen, sechs Wochen. Nicht mehr viel Zeit, den Abwärtstrend zu drehen, den ihm eine Umfrage nach der anderen bescheinigt.

Doch dem Kanzlerkandidaten steht, außer er sich manchmal selbst, gerade ein anderes Amt im Weg: Er muss jetzt erst versuchen, als Ministerpräsident des Flutlandes NRW zu reüssieren.

Darin liegt eine gewisse Ironie, hat der 60-Jährige doch seine Erfahrung als Regierungschef des größten Bundeslandes stets als stärkstes Pfund herausgestellt, zuletzt noch im Zweikampf mit Markus Söder. Die Flut wäre die Chance zum Beweis gewesen. Nach dem sattsam bekannten Lachanfall war sie vertan.

Seither kann der Rheinländer richtig oder falsch machen, was er will – irgendwo bei einem seiner Auftritte findet die skandälchensüchtige Social-Media-Blase immer eine Geste oder einen kurzen Moment, der dazu taugt, das Bild vom unempathischen Stolperfuß weiter auszuschmücken.

Anfang der Woche war er kurz davor, dem Gemälde selber opulente Tupfer hinzuzufügen. In letzter Sekunde sagte die CDU die Wahlkampfreise ins Süddeutsche zu Boxcamp, Weingut und Schwarzwalderlebnispfad dann doch lieber ab. Die amtliche Begründung war unangreifbar: Laschet müsse sich erst um die Bewältigung der Flutfolgen kümmern.

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Wenn die Ministerpräsidentenkonferenz mit Kanzlerin Angela Merkel am Dienstag Milliardenhilfen zum Wiederaufbau politisch absegnet, dann kann er sich tatsächlich zugute halten, dass er für ein kurzes Verfahren gesorgt hat und dafür, dass die Gelder auf Jahre hinaus gesetzlich abgesichert fließen. Das ist wichtig für Regionen, in denen viele fürchten, dass zerstörte Firmen aufgeben oder abwandern, wenn der Wiederaufbau sich hinzieht.

Doch der Vorgang zeigt zugleich Laschets Dilemma: So alternativlos der Einsatz als Landesvater ist, so sehr kostet er den Kandidaten Zeit. Und er wird, da macht sich in seinem Team niemand Illusionen, nicht mal dazu führen, dass er ab jetzt überall als Kümmerer gelobt und wahrgenommen wird.

Vergleiche mit früheren Wahlen sind schwer

Wer einmal in der Defensive steckt, kommt da eben nur schwer wieder raus. Bei den letzten Bundestagswahlen konnte man rückblickend sogar sagen: Wer früh in den Sinkflug ging, kam nie mehr hoch.

Allerdings ist die Lage diesmal doch grundlegend anders. Bei Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück und Martin Schulz standen die Wähler vor der Alternative: Der Sozialdemokrat – oder die alles in allem doch bewährte Kanzlerin, der dann das „Sie kennen mich“ genügte zum Sieg.

Sie kennen mich doch immer noch - Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrer letzten Sommer-Pressekonferenz
Sie kennen mich doch immer noch - Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrer letzten Sommer-Pressekonferenz

© imago images/Political-Moments

Diesmal ist die Auswahl größer und unschärfer. Viele Koalitionen sind denkbar - und die Konkurrenten allesamt keine Helden. Selbst der aktuelle Umfrage-Kanzlerfavorit Olaf Scholz kommt nur auf Zwanzig-Prozent-Werte, was bei Licht betrachtet ja ziemlich mager ist, von den Werten seiner Partei zu schweigen. Dass Annalena Baerbock je wieder aus der Selbstversenkung auftaucht, glaubt sowieso praktisch niemand mehr.

Anfangs war das für Laschet eine gute Botschaft. Kaum war der Grünen-Hype gebrochen, kam er als Chef der stärksten Parteienformation von selbst in die Poleposition.

Durchaus denkbar, dass am Ende sogar wieder genug Wähler den Kandidaten hinnehmen, weil er aus ihrer Sicht wenigstens in der richtigen Partei ist. Umfragen können solche halbherzigen Entscheidungen kaum erfassen, schon gar nicht lange vor dem Wahltag.

Und Laschets inhaltlicher Ansatz ist ja zumindest einen Versuch wert, dem grünen „Klima first mit Vetorecht“ ein „Klimapolitik plus Industrieland“ entgegenzuhalten. Ein Hundert-Tage-Programm ist geplant. Spätestens beim TV-Triell besteht die Chance, dass ein breites Publikum den Kandidaten nicht bloß als Lachnummer erlebt. Da kann die Vorgeschichte sogar nützen, wenn Zuschauer hinterher sagen: So übel ist der doch gar nicht.

Nur muss er dann präzise vorbereitet sein - nicht seine Stärke. Laschet war immer schon für einen flapsigen Halbsatz gut oder eine angefressene Replik. Das fiel nur im gedämpften Landesscheinwerferlicht nicht so auf.

Und natürlich darf sich die Aufstellung nicht mehr grundlegend ändern.

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Die Gefahr besteht. Mancher in der Union hat aufmerksam den Blog des früheren SPD-Wahlkampfberaters Frank Stauss gelesen, der Baerbock zum selbstlosen Rückzug rät. Und Robert Habeck klingt ja auch nicht gerade so, als fände er einen fliegenden Kandidatenwechsel ganz und gar abwegig.

Gleich zeigt dann Söder wieder auf

Für Laschet wäre das eine böse Überraschung. Erstens, weil gleich wieder Markus Söder zurück ins Spiel käme nach dem Motto: Was die Grünen können, das kann ich auch!

Und zweitens, weil Habeck ein dermaßener Ultrarealo ist, dass er als Landesminister in Kiel selbst beim traditionellen Bauernverband wohl gelitten war. Dem Mann Klima-Radikalismus vorzuhalten würde kaum gelingen.

Umso wichtiger, dass Laschets Wahlkampf jetzt wirklich rasch mal anfängt, damit er überhaupt noch Zeit hat durchzudringen. Schon drängeln im Windschatten Söders ein paar der üblichen Verdächtigen aus den eigenen Hinterbänken ihn öffentlich: Tu' was und überlass nicht der Jagd nach Stolperfehlern das Feld!

Noch dominiert die den Wahlkampf. Immerhin ist inzwischen selbst manchen Jäger erkennbar nicht mehr ganz wohl dabei. Der „Spiegel“ meldet weitere Abschreibefunde in Laschets Buch, zitiert aber zugleich wie zur Entschuldigung den Plagiatexperten Volker Rieble, der die Aufregung über Plagiate in Politikerbüchern „völlig überflüssig“ findet: Kein Leser erwarte von solchen Werken eigene wissenschaftliche Erkenntnis.

Wenn Laschet nächste Woche endlich auf Wahlkampftour geht, jetzt zuerst in den ostdeutschen Ländern, lauert der Pannensuchdienst natürlich trotzdem. Im Adenauer-Haus können sie meist morgens schon sehen, welcher Anti-Laschet-Hashtag in einschlägigen Online-Foren für den Tag auf Twitter ausgegeben wird.

Den Aachener lässt das alles auch nicht unbeeindruckt. Er weiß, er muss jetzt doppelt aufpassen, auf Worte, auf Bilder, auf Situationen.

Aber nicht mehr spontan und nahbar zu sein, was ihm doch liegt und ihn sympathisch machen kann, hieße die Authentizität opfern. Das merken die Leute auch und nehmen es übel. Also schon wieder ein Dilemma.

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