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Griechische Pensionäre protestierten am Donnerstag in Athen gegen die Kürzung der Renten.

© Louisa Gouliamaki/AFP

Armut in Griechenland: Hellas wird zum Land der Arbeitslosen und Rentner

Krise und kein Ende: Nur jeder dritte Grieche ist noch erwerbstätig – und die Renten sinken. Und nur jeder zehnte Erwerbslose bekommt staatliche Hilfe.

Es schien auf den ersten Blick eine gute Nachricht zu sein: Im August sei die Arbeitslosenquote in Griechenland auf 24,6 Prozent zurückgegangen – von 24,9 Prozent im Vormonat, meldete jetzt die staatliche Statistikbehörde Elstat. Aber der Trend dürfte sich schon bald wieder umkehren: Der ohnehin nur leichte Rückgang war vor allem dem Sommer-Boom im Tourismus geschuldet. Wie das griechische Arbeitsministerium inzwischen meldete, ging die Zahl der Beschäftigten im Oktober um fast 56 500 zurück. Die EU-Kommission erwartet in ihrer jüngsten Herbstprognose für Griechenland 2016 einen Anstieg der Arbeitslosenquote auf 25,8 Prozent.

Immer weniger Menschen in Griechenland haben ein eigenes Erwerbseinkommen, immer mehr leben von Zahlungen aus den Sozialhaushalten, wie Renten und Arbeitslosengeld, oder von Zuwendungen ihrer Familie. Und im Rahmen des Sparkurses, den die griechische Regierung auf Weisung der internationalen Geldgeber steuern muss, stehen weitere Einschnitte bei den ohnehin seit Beginn der Krise bereits um durchschnittlich ein Viertel gekürzten Renten bevor. Savvas Robolis, ehemaliger Professor für Volkswirtschaft an der Athener Panteios-Universität, sieht große Teile der griechischen Bevölkerung bereits in einer „unentrinnbaren Armutsspirale“.

Die Zahlen sind alarmierend: Von den 10,9 Millionen Griechen sind knapp 4,8 Millionen im erwerbsfähigen Alter von 15 bis 65 Jahren. Erwerbstätig sind aber nur 3,6 Millionen. Die Zahl der Arbeitslosen beläuft sich auf knapp 1,2 Millionen, die der Rentner und Pensionäre auf annähernd 2,7 Millionen. Unter dem Strich haben also von den knapp elf Millionen Einwohnern des Landes 7,3 Millionen kein eigenes Erwerbseinkommen.

In rund 350 000 griechischen Familien gibt es überhaupt kein erwerbstätiges Mitglied. Das Arbeitslosengeld, 360 Euro für einen Ledigen oder bis zu 576 Euro für eine sechsköpfige Familie, wird in Griechenland maximal zwölf Monate gezahlt. Danach ist der Arbeitslose auf sich selbst, seine Familie oder Freunde gestellt. Eine Sozialhilfe oder Grundsicherung wie Hartz IV gibt es nicht. Das führt dazu, dass neun von zehn Arbeitslosen keinerlei staatliche Unterstützung erhalten.

Nach Angaben der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat Griechenland eine Beschäftigungsquote von nur 49,6 Prozent. Schlechter schneiden unter den 34 OECD-Staaten nur die Türkei mit 49,4 und Südafrika mit 42,6 Prozent ab. Zum Vergleich: Im EU-Durchschnitt beträgt die Quote 64,9 Prozent, in Deutschland sogar 74, in der Schweiz 79,7 Prozent.

Sechs von zehn Rentenempfängern bekommen weniger als 1000 Euro brutto im Monat. Die durchschnittliche Bruttorente beträgt 947 Euro. Und 45 Prozent der Rentner haben Nettobezüge, die unter der offiziell ermittelten Armutsgrenze von 665 Euro im Monat liegen. Auch wer Arbeit hat, muss sich meist einschränken: Seit 2009 sind die Realeinkommen um etwa ein Viertel gesunken. Der durchschnittliche Nettolohn in Griechenland beträgt 815 Euro.

Unter diesen Bedingungen könne Griechenland weder auf dauerhaftes Wirtschaftswachstum hoffen noch Nachhaltigkeit in den Sozialsystemen aufbauen, sagt der Ökonom Savvas Robolis. Er sieht die Gefahr „einer dauerhaften Verarmung großer Teile der Bevölkerung und einer Erosion der technologischen und produktiven Fundamente unseres Landes“. Griechenland hat mit die ungünstigste demografische Struktur in der EU, die Bevölkerung ist überaltert: Auf zehn Erwerbsfähige kommen drei über 65-Jährige. 2060 werden es sechs sein.

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