zum Hauptinhalt
Flüchtlinge am Budapester Bahnhof Keleti appellieren an Angela Merkel.

© dpa

Asylpolitik in Europa: Wenn Angela Merkel spricht, hören sie die Flüchtlinge

Während Deutschland offiziell zehntausende syrische Flüchtlinge aufnimmt, schotten sich andere EU-Staaten rhetorisch und politisch ab. Flüchtlinge beobachten den europäischen Streit um die Asylpolitik genau - und entscheiden dann wohin sie flüchten.

Es ist ganz simpel. Wenn Angela Merkel in der Bundespressekonferenz sagt, dass Flüchtlinge in Deutschland willkommen seien, dass die Bundesrepublik keine Syrer mehr abschieben werde, dann hören das die Menschen in Syrien, in den Auffanglagern in der Türkei, auf Lesbos, in Zügen in Mazedonien oder am Bahnhof Keleti in Budapest. Das Wort der Kanzlerin, es macht schnell die Runde um die Welt. In den chaotischen Szenen, mitten in der Katastrophe, die sich zum Beispiel in der ungarischen Hauptstadt seit einigen Wochen abspielt, schauen Flüchtlinge auf Twitter, Facebook und Fernsehbildschirmen auf eine deutsche Bundeskanzlerin, die von Verantwortung spricht, die erklärt, dass Deutschland „diese Herausforderung natürlich meistern wird“.

Sie sehen auch die brennenden Asylbewerberheime

Überall in den Krisengebieten, im Nahen Osten und in Europa, hielten und halten Flüchtlinge deswegen Plakate der deutschen Bundeskanzlerin hoch. Bei einer Demonstration in Bagdad stand unter Merkels Konterfei: „Sie ist besser als all unsere Regierungschefs zusammen!“ Deutschland, es sendet in diesen Tagen offiziell eine Botschaft der Nächstenliebe, wie viele Flüchtlinge es im Netz und bei ihrer Flucht formulieren. Denn sie hören genau hin. Zwar dementierte die Bundesregierung, dass die Dublin-Regelung ausgesetzt sei, bei den betroffenen Menschen ist aber die Botschaft angekommen: In Deutschland sind wir sicher und willkommen. Bilder von brennenden Asylbewerberheimen und pöbelnden Nazis kommen zwar auch an, werden von den Worten der Kanzlerin aber überstrahlt.

Was passiert also genau, wenn Angela Merkel und andere Politiker in Deutschland sagen, dass Deutschland vermeintlich seine Tore öffnet und Flüchtlinge aus Kriegsgebieten aufnimmt? Was passiert wenn Bilder verbreitet werden, die Menschenketten für Flüchtlinge an deutschen Hauptbahnhöfen zeigen?

Flüchtlinge nutzen soziale und klassische Medien, um sich zu informieren. So wie jeder halt.
Flüchtlinge nutzen soziale und klassische Medien, um sich zu informieren. So wie jeder halt.

© dpa

Flüchtlinge wissen auch was Viktor Orbán sagt

Um zu verstehen welche Sogeffekte diese neue politische Kommunikation bei den Flüchtlingen hat, muss man sich auch die Äußerungen der anderen Staats- und Regierungschefs in der EU anschauen. Zeitgleich laufen auf den Smartphones der Flüchtlinge genau die Nachrichten, die alle Menschen in den deutschen und europäischen Medien lesen. Dass slowakische Politiker keine Muslime aufnehmen wollen, dass der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán Flüchtlinge in Lager einsperren lässt, dass Großbritannien die Migration allgemein eindämmen will, das alles kommt an.

Vor allem Syrer sind meist gut ausgebildet. Sie nutzen soziale Netzwerke und klassische Medien, um sich zu informieren. Am schnellsten verbreiten sich Informationen aber über „stille Post“. Die Menschen reden schlichtweg miteinander – und entscheiden dann spontan was zu tun ist. Mal sind die Informationen falsch. So zum Beispiel wenn ein Flüchtling erzählt, er könne garantiert in Berlin bleiben, wenn er es nur bis zur Hauptstadt schaffe. Oft sind die Informationen aber korrekt. Wenn Flüchtlinge besprechen, dass Deutschland derzeit faktisch keine Syrer mehr zurück nach Ungarn schicke. Und sie nehmen die Kanzlerin eben beim Wort.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false