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Politik: Asylpolitik: Von Spannung und Schweigen

Frei nach Samuel Beckett führt die Politik, oder das, was im Moment davon übrig ist, ein Stück absurdes Theater auf: "Warten auf Otto", heißt es und handelt davon, wie hinter den roten Mauern des Innenministeriums am Entwurf für ein Zuwanderungsgesetz gefeilt wird. Und von jenen, die nicht mitfeilen dürfen, aber trotzdem mitreden wollen, die über Gerüchte spekulieren und prophylaktisch Forderungen hinaustrompeten.

Frei nach Samuel Beckett führt die Politik, oder das, was im Moment davon übrig ist, ein Stück absurdes Theater auf: "Warten auf Otto", heißt es und handelt davon, wie hinter den roten Mauern des Innenministeriums am Entwurf für ein Zuwanderungsgesetz gefeilt wird. Und von jenen, die nicht mitfeilen dürfen, aber trotzdem mitreden wollen, die über Gerüchte spekulieren und prophylaktisch Forderungen hinaustrompeten. Wie bei Beckett geschieht also nicht viel. Trotzdem ist es spannend.

Eines der Gerüchte hält sich schon einige Tage und je länger es undementiert bleibt, desto mehr ist wohl dran. Demnach will Schily den Kirchen ein eigenes Kontingent für die Flüchtlingsaufnahme zuweisen. Und stößt auf Kritik aus den eigenen Reihen. SPD-Innenexperte Rüdiger Veit nennt das Vorhaben "unnötig". Vernünftige Gesetze und eine gute Verwaltungspraxis würden ein gesondertes Kirchenkontingent überflüssig machen, sagt er.

Trotz eines Dementis von SPD-Fraktionvize Ludwig Stiegler, hält sich auch das Gerücht, der Schily-Entwurf sehe eine regelmäßige Überprüfung des Aufenthaltsrechts von anerkannten Asylbewerbern vor. Ein Insider sagt, diese "Befürchtung ist nicht ohne Gegenstand". Zahlreiche Politiker, auch von der Union, hatten die Idee in den vergangenen Tagen heftig kritisiert. Eine solche Praxis bedeute eine "echte Verschlechterung" für Flüchtlinge mit eigentlich unbegrenzter Aufenthaltserlaubnis, meint Veit. Auch unter dem Gesichtspunkt der Integration und der Lebensplanung der Flüchtlinge wäre die Regelung "völlig kontraproduktiv".

Michel Friedman, Vizepräsident des Zentralrats der Juden und CDU-Mitglied, warnte Schily vor Veränderungen im Asylrecht. Es sei erschreckend, dass gerade ein sozialdemokratischer Innenminister "die Union in der Asylfrage von Rechts überholen will", sagt er. Er habe den Eindruck, dass Schily "offenbar innenpolitisches Ehrenmitglied der Union" werden wolle.

Schily weiß, dass es dank der rot-grünen Mehrheit keine Probleme geben dürfte, ein Zuwanderungsgesetz durch den Bundestag zu bekommen. Er denkt an den Bundesrat, wo Rot-Grün keine eigene Mehrheit hat und hofft, die Unionsländer mit einer verschärften Asylpraxis für sein Konzept zu begeistern. Hessens Innenminister Volker Bouffier (CDU) erteilt dem eine Absage: "Wenn ich das nehme, was bisher bekannt ist, dann werden wir sicher nicht zusammenkommen", sagt er dem Tagesspiegel. Es gebe noch viele Differenzen. Als Beispiel nennt Bouffier die geplante Erhöhung des Nachzugsalters für Familienangehörige von Einwanderern, das bisher bei 16 Jahren liegt. Die Süssmuth-Kommission und eine Mehrheit bei SPD und Grünen will das Alter auf 18 erhöhen, die Union aber fordert eine Absenkung.

Vielleicht aber wird Bouffier und der Rest der Union am Ende doch ganz zufrieden sein mit Schilys Entwurf. Im Moment bleibt daher nur zu hoffen, dass "Warten auf Otto" nicht das gleiche Ende nimmt wie Becketts Stück. Darin nämlich warten alle vergeblich, der imaginäre Held erscheint nicht. Otto Schily aber wird kommen. Mit seinem Entwurf. Vielleicht noch diese Woche. Fraglich ist nur, ob Schily sein Werk vor der Präsentation noch mit den Fachpolitikern der rot-grünen Fraktion abstimmt. SPD-Mann Veit jedenfalls wünscht sich das, auch um das "Konfliktpotential" zu entschärfen. "Das hielte ich für normal", sagt er. Doch was ist schon normal in absurden Stücken?

Markus Feldenkirchen

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