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Horst Seehofer, CSU-Vorsitzender und Bundesminister für Inneres, Heimat und Bau. Auf dem Bildschirm: Angela Merkel.

© Peter Kneffel/dpa

Asylstreit in der Union: Seehofer: "Das werden wir uns nicht gefallen lassen"

Innenminister Seehofer hält an Konfrontationskurs in der Asylpolitik fest, CDU-Ministerpräsident Armin Laschet nennt die Debatte "völlig irrational" und EU-Parlamentspräsident Tajani warnt vor auseinanderbrechen der Gemeinschaft.

Die CSU hält am Konfrontationskurs mit der CDU fest, im Sreit über die Flüchtlingspolitik gibt sich CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer unbeugsam. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) bezeichnete indes den Zeitpunkt für den Streit zwischen CDU und CSU im "Kölner Stadt-Anzeiger" als "völlig irrational". Auf europäischer Ebene warnte nun EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani (EVP) die Mitgliedstaaten eindringlich vor Egoismus in der Flüchtlingspolitik.

Seehofer machte in der "Süddeutschen Zeitung" deutlich, dass er sich auch von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht von seinen Plänen abbringen lassen will. "Wenn der EU-Gipfel keine wirkungsgleichen Lösungen bringt, werden Migranten, die bereits in einem anderen EU-Land registriert sind, zurückgewiesen", bekräftigte er. Merkel dagegen beharrt auf einer europäischen Vereinbarung. Sie hat bereits signalisiert, Seehofer mit ihrer Richtlinienkompetenz in die Schranken zu weisen, falls der Minister mit dem angekündigten Alleingang Ernst macht.

"Das werden wir uns auch nicht gefallen lassen", konterte Seehofer nun. "Man hat im Kanzleramt aus einer Mücke einen Elefanten gemacht. Und es ist höchst ungewöhnlich gegenüber dem Vorsitzenden des Koalitionspartners CSU, mit der Richtlinienkompetenz zu drohen." Seehofer zufolge zielen seine Pläne in der Frage der Zurückweisung nicht nur auf einen symbolischen Akt. "Es geht darum, dass man effektiv zurückweisen kann. Dazu gehören für mich auch temporäre, anlassbezogene Kontrollen auch an anderen Grenzübergängen als den drei stationär kontrollierten in Bayern", sagte er.

Sollte es nicht noch in diesem Monat zu einer gemeinsamen europäischen Lösung kommen, will Seehofer vom 1. Juli an die Zurückweisung bestimmter Flüchtlinge an der Grenze anordnen. Die 28 EU-Staats- und Regierungschefs treffen sich kommenden Donnerstag und Freitag zu einem regulären Gipfel in Brüssel. Bereits für diesen Sonntag hat EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker zu einem Sondertreffen einzelner EU-Staaten nach Brüssel eingeladen.

"Handelt jeder nur nach eigenen Interessen, wird die EU auseinanderbrechen"

CSU-Vizechef Manfred Weber, der zugleich der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament vorsteht, unterstrich in eindringlichen Worten die Bedeutung der anstehenden Gespräche. "Jeder muss wissen, dass es jetzt um unglaublich viel geht", sagte er der "Passauer Neuen Presse". "Wenn Europa keine Antwort auf die Flüchtlingsfrage gelingt, dann ist das eine größere Gefahr für die Zukunft Europas, als es die Euro-Krise war." Weber rief dazu auf, Merkel nun den Rücken zu stärken. "Wir haben höchstes Interesse an einer starken Kanzlerin, und sie hat meine Unterstützung", sagte er.

Sollte Merkel aber nicht mit dem gewünschten Resultat aus Brüssel zurückkehren, drohen Webers Worten zufolge gravierende Konsequenzen. "Gäbe es kein ausreichendes Ergebnis, und würde Horst Seehofer damit nicht umhinkommen, Zurückweisungen von Flüchtlingen ohne Abstimmung mit unseren europäischen Partnern durchzuführen, dann wäre das ein schwerer Schlag – für das Schengen-Abkommen und für ganz Europa", unterstrich er.

EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani warnte indes die Mitgliedstaaten eindringlich vor Egoismus in der Flüchtlingspolitik. "Handelt jeder Mitgliedstaat nur nach eigenen Interessen, wird die Gemeinschaft auseinanderbrechen", sagte Tajani den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Zugleich forderte er CDU und CSU zur Verständigung bei dem Streitthema auf. Es könne nun nicht um nationale Lösungen gehen.

Laschet: "Jetzt wieder Kontrollen einzuführen, kommt überhaupt nicht in Frage"

In den Bundesländern mehren sich die Stimmen, die auf eine rasche Einigung im Asylstreit zwischen CDU und CSU drängen. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) bezeichnete den Zeitpunkt für den Streit zwischen CDU und CSU im "Kölner Stadt-Anzeiger" (Samstagsausgabe) als "völlig irrational", da die Flüchtlingszahlen in Deutschland stark rückläufig seien.

Kontrollen an den Grenzen zu den Nachbarländern schloss Laschet aus. Nordrhein-Westfalen habe "einen großen gemeinsamen Wirtschafts-, Lebens- und Arbeitsraum" mit den Niederlanden, Belgien und Luxemburg. "Jetzt wieder Kontrollen einzuführen, durch die wir zwei bis drei Stunden an der Grenze stehen würden, kommt überhaupt nicht in Frage", sagte Laschet.

Laschet kritisierte zugleich Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der stärkere Grenzkontrollen an den Grenzen von Bayern erwägt. Wer in einem nationalen Alleingang Grenzkontrollen verschärfe und bereits anderswo registrierte Asylbewerber unabgestimmt abweise, riskiere "ähnlich unkluge, unabgestimmte Alleingänge anderswo in Europa, bei denen dann im Süden Europas nicht mehr registriert wird". Dies könne "am Ende dazu führen, dass die Flüchtlingszahlen bei uns wieder ansteigen". Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) wiederum stellte sich klar hinter den Vorstoß Seehofers und drängte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu einer schnellen Entscheidung. "Wenn Angela Merkel jetzt noch mal eine Woche länger braucht, in Gottes Namen, dann soll man ihr diese Zeit noch geben", sagte Kretschmer der in Dresden erscheinenden "Sächsischen Zeitung".

Weil: "CSU nimmt Deutschland in Geiselhaft"

Er sei zwar durchaus für eine europäische Lösung. "Aber wir brauchen jetzt schnellstmöglich ein Ergebnis. Denn, wenn wir ehrlich sind: Vieles von dem, über das wir jetzt reden, hätte längst passiert sein müssen", sagte Kretschmer. Der Streit in der Union sei "für die CDU extrem gefährlich".

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung", die Verhältnisse in der Union müssten sich rasch klären, "damit aus der Krise der Union keine Regierungskrise wird - mit womöglich unabsehbaren Folgen für die Stabilität unseres Landes". Der SPD-Politiker warf zugleich der CSU vor, Deutschland "in Geiselhaft" zu nehmen.

Zuvor hatte der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) der CSU vorgeworfen, die Union politisch nach rechts verschieben zu wollen. In dem aktuellen Konflikt um die Flüchtlingspolitik gehe es der CSU in Wahrheit gar nicht um Zurückweisungen an der Grenze, sagte Günther. "In Wahrheit will die CSU eine Verschiebung der Position der Union weit nach rechts gegen Europa." Eine solche "Koordinatenverschiebung" könne die CDU nicht dulden.

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