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Atomausstieg: Heiner Geißler: "Die Leute sind aufgewacht"

Heiner Geißler spricht im Interview mit dem Tagesspiegel über die Folgen von Stuttgart 21 und die Beratungen der Ethikkommission.

Ich erwarte, dass eine Art Faktencheck stattfindet – so wie das beim Bahnprojekt Stuttgart 21 auch gemacht worden ist. Es müssen alle Fakten auf den Tisch.

Die elfstündige Beratung wurde live übertragen. Glauben Sie, dass sich das viele angeguckt haben?

Das weiß ich nicht. Bei Stuttgart 21 hatten wir jedes Mal mehr als eine Million Fernsehzuschauer und mindestens 500 000 Internetnutzer. Jedenfalls begrüße ich es, dass die Kommission die Sache nun transparent macht. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass etwas hinter verschlossenen Türen verheimlicht wird.

Wie wichtig sind solche öffentlichen Fachdebatten und wo sind die Grenzen?

Es ist eine zwingende Notwendigkeit, die Fakten offenzulegen. Gefährlich wird es immer dann, wenn  sie verschwiegen werden. Das hat man in der Atomenergie zwei Jahrzehnte hindurch getan. Jetzt sind die Leute aufgewacht.

Der Ausstieg ist gesellschaftlicher Konsens. Geht es der Regierung um Zeitgewinn?

Man kann ja nicht von heute auf morgen aussteigen. Und möglicherweise wird durch diese Kommission, vor allem wenn ihre Beratungen öffentlich gemacht werden, wieder mehr Vertrauen zur Demokratie hergestellt. Einen Konsens zwischen den Beteiligten wird es nicht nicht geben, dafür sind die Standpunkte zu unterschiedlich. Aber sie werden dargelegt, und die Leute können selber beurteilen, wer mehr und wer weniger Recht hat.

Und dann? Eine Volksabstimmung?

Das wäre das Beste, ich habe das ja schon vorgeschlagen. Nur brauchen wir dafür eine Rechtsgrundlage. Und ein Informationsszenario mit breitester Öffentlichkeitswirkung. Das kann man in unserer Mediengesellschaft ohne Weiteres, das ist gar kein Problem. Und die Fragen wären ja sehr einfach zu formulieren.

In der Kommission sind auch die Kirchen vertreten. Haben die sich bei solchen Themen nicht viel zu lange zurückgehalten?

Nicht nur bei Umweltfragen, sondern auch in der Wirtschaftspolitik gibt es eine sehr merkwürdige Zurückhaltung der Kirchen – was ganz sicher dem Auftrag des Evangeliums nicht entspricht.

Heiner Geißler (81) war bis 1989 Generalsekretär der CDU. Das Gespräch führte Rainer Woratschka.

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