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Achtung Strahlung. Der Streit um die Ausstiegskosten ist nicht vorbei.

© dpa

Atomausstieg: Konzerne klagen weiter - auf Auskunft

Der Energieversorger RWE will weiterhin wissen, wie die Energiewende im Kanzleramt zustande kam. Außerdem gibt es Altlasten-Klagen.

Auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Entschädigung wegen des Atomausstiegs setzen die Energieversorger die Bundesregierung mit weiteren Klagen unter Druck. Nach Tagesspiegel-Informationen sind derzeit noch sechs Klagen allein am Bundesverwaltungsgericht anhängig, mit denen die Konzerne unter anderem Hintergründe zur Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie zum Gesetzgebungsverfahren der 13. Atomgesetz-Novelle in Erfahrung bringen wollen. Die Bundesregierung verweigert den Zugang zu den Dokumenten mit Verweis auf den Kernbereich exekutiver Willensbildung, der nicht öffentlich dargelegt werden müsse. Der Energiekonzern RWE bestätigte, solche Verfahren zu führen – als „Begleitverfahren“ zu dem Prozess in Karlsruhe. Wie nach dem Urteil damit umgegangen werde, sei noch nicht entschieden.

Die Konzerne hatten nach dem 2011 im Zuge des Reaktorunfalls von Fukushima beschlossenen Atomausstieg frühzeitig begonnen, Material über die aus ihrer Sicht überstürzte Energiewende zu beschaffen. Zur Seite standen ihnen dabei das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) sowie das Umweltinformationsgesetz (UIG), das alle Bürger – also auch Konzerne – nutzen können, um sich Zugang zu behördlichen Akten zu verschaffen. In öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, zu denen auch der Entschädigungsprozess zählt, nutzen Anwälte das Instrument häufig, um Klagen gegen den Staat besser begründen zu können.

Entsprechendes Material dürfte auch im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eine wichtige Rolle gespielt haben. Nach Angaben der atompolitischen Sprecherin der Grünen im Bundestag, Sylvia Kotting-Uhl, hatten sich die Konzerne in den vergangenen Jahren eine Fülle von Dokumenten besorgt. Kotting-Uhl lässt sich regelmäßig von der Regierung informieren, welche internen Unterlagen die Kraftwerksbetreiber erhalten. Sie stellt auch selbst Informationsanträge, sieht sich aber ungleich behandelt: „Mit den letztlich auf Schadenersatz zielenden Informationsanträgen der Konzerne ging die Regierung im Vergleich zu mir unterwürfig offenherzig um“, kritisiert die Abgeordnete, die zugleich im Parlament wiederkehrend nach weiteren Klagen der AKW-Betreiber in Bund und Ländern fragt. Neben den IFG-Klagen vor dem Bundesverwaltungsgericht sind dies etwa Klagen gegen vorläufige Betriebsstilllegungen vor Gerichten in Essen, Celle und Köln, außerdem die Entschädigungsklage auf fünf Milliarden Euro von Vattenfall vor dem internationalen Schiedsgericht ICSID in Washington.

Der Vorsitzende der Atomkommission der Regierung und Ex-Umweltminister Jürgen Trittin verlangte im Hinblick auf die Diskussion um die Endlager-Kosten von Atommüll, dass die Unternehmen nach dem Karlsruher Urteil vom Dienstag ihre übrigen Klagen zurückziehen müssten. Das gelte sowohl für das Vattenfall-Verfahren als auch für weitere Klagen im Zusammenhang mit den Altlasten, sagte Trittin der Nachrichtenagentur Reuters. „Bevor nächste Woche das Gesetz zu den Atom-Altlasten verabschiedet wird, erwarten wir verbindlich den Rückzug der Klage zur Entsorgung und zum Moratorium“, machte Trittin deutlich.

Weiter sagte der Grünen-Politiker, die auf Grundlage des Gesetzes folgenden einzelnen Verträge mit den Versorgern könnten nur zustande kommen, wenn es auch eine Einigung zu den Verfassungsklagen gebe. „Konsens braucht Rechtsfrieden“. Dies gelte auch für das Verfahren vor dem Schiedsgericht. Seine Rechtfertigung sei gewesen, dass Vattenfall in Deutschland aus rechtlichen Gründen nicht klagen könne. „Diese Ausrede hat der Energiekonzern seit dem Urteil vom Dienstag nicht mehr.“ Das Bundesverfassungsgericht hatte Eon, RWE und Vattenfall eine Teilentschädigung zugesprochen, die nach Schätzungen bei rund zwei Milliarden Euro liegen kann.

Die Bundesregierung will als Reaktion auf das Urteil weder das geplante Altlasten-Gesetz noch die AKW-Laufzeiten ändern. Es sei klar, dass am Zeitplan des Ausstiegs festgehalten werde, sagte ein Sprecher des Umweltministeriums. Für die Umsetzung des Urteils hat das Gericht eine Frist bis Mitte 2018 gesetzt.

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