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Als letztes der sieben deutschen Atomkraftwerke, die vorübergehend abgeschaltet werden, ging im hessischen Biblis die ältere der beiden Anlagen vom Netz. Foto: Reuters

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Atomdebatte in Deutschland: Sicherheitstest im Eiltempo

Drei Monate lang sollen nun 17 deutsche Atomkraftwerke geprüft werden – nur worauf, ist noch völlig offen.

Berlin - Bund und Länder sind sich noch nicht einig, nach welchen Vorgaben sie die Sicherheit der deutschen Atomkraftwerke prüfen wollen. „Die Gespräche dazu laufen“, sagte eine Sprecherin des Bundesumweltministeriums in Berlin. „In Kürze wird es dazu einen Zeitplan und einen Fahrplan geben.“ Ein vertrauliches Papier aus dem Ministerium zu verschärften Sicherheitsanforderungen bezeichnete sie als „Themensammlung“, die „noch keine Rolle für die eigentlichen Sicherheitsüberprüfungen“ spiele. Es sei eine „Auflistung dessen, was theoretisch denkbar wäre“. Es müsse aber Einvernehmen mit den Ländern hergestellt werden.

Das ARD-Magazin „Kontraste“ hat den Wunschzettel einiger Fachreferenten im Umweltministerium veröffentlicht. Demnach sollten alle 17 Atomkraftwerke, also nicht nur die sieben vorübergehend vom Netz genommenen, auf ihre Erdbebensicherheit, ihre Auslegung auf Hochwasser und den Zusammenbruch der Infrastruktur untersucht werden. Als mögliche Vorgaben heißt es, eine Notstromversorgung solle drei Tage lang die Selbstversorgung eines Atomkraftwerks garantieren. Das bedeutet wohl, dass für mindestens 72 Stunden Dieselvorräte sicher auf dem Gelände gelagert werden müssen. Zudem solle es ein vierfaches Notkühlsystem geben; eine Notfallsteuerzentrale und Rohrleitungen sollten verbunkert werden. Würde all das umgesetzt, würde sich selbst für die neuen Atomkraftwerke der Betrieb wirtschaftlich kaum noch lohnen. Die Reaktorsicherheitskommission (RSK), die am Donnerstag erstmals über den Drei-Monats-Sicherheitscheck für die Atomkraftwerke diskutiert hat, „hat diese Vorschläge vom Tisch gewischt“, sagte die grüne Fraktionsvize Bärbel Höhn.

Auf die Frage, was sich in drei Monaten überhaupt bei 17 gleichzeitig überprüfen lässt, sagte der Geophysiker Professor Gerhard Jentzsch bei einem Fachgespräch der Grünen, der Ertrag läge in dieser kurzen Zeit „ziemlich nahe an null“. Peter Heß, der früher selbst der RSK angehört hat, meinte: „Hätte man mich um Rat gefragt, wären nicht drei Monate dabei herausgekommen.“ Er findet allerdings, dass einige Fragen auch ziemlich einfach zu beantworten seien. Heß hat in Kiel und in Hamburg an der Genehmigung von Atomkraftwerken mitgewirkt. Er meinte: „Ich muss selbstkritisch sagen: Über Brennelementebecken habe ich bisher auch nicht weiter nachgedacht.“ Aber wenn man nun mit der Krise in Fukushima vor Augen darüber nachdenke, welches Sicherheitsniveau erreicht werden sollte, dann lasse sich das mit Blick auf das Brennelementebecken des Atomkraftwerks Brunsbüttel so zusammenfassen: „Die Halle des Brennelementebeckens ist kein Schutz.“

Gerhard Jentzsch wies darauf hin, dass es mit einer Aussage über die Auslegung eines Reaktorgebäudes gegen Erdbeben nicht getan sei. Im Zusammenhang mit dem Atomkraftwerk Mühlheim-Kärlich, das letztlich wegen der Erdbebengefahren im Rheingraben nicht ans Netz ging, sei einmal überprüft worden, wie ein Zusammentreffen von Naturkatastrophen, also etwa ein Erdbeben während eines Hochwassers, wirken könnte. Ein beunruhigener Befund sei ein sich verflüssigender Untergrund gewesen, der das Gebäude zumindest in Bewegung hätte bringen und wichtige elektrische Leitungen zur Steuerung oder auch Rohrleitungen hätte zerstören können.

Doch nicht nur Brennelementebecken wären im Falle eines Flugzeugabsturzes schutzlos. Die zehn neueren Atomkraftwerke können zwar nach einer unveröffentlichten Untersuchung der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) dem Absturz eines schwereren Militärflugzeugs wie der Phantom standhalten. Die Akw Biblis B, Neckarwestheim 1 und Unterweser könnten einem leichten Militärflugzeug wie dem inzwischen außer Dienst gestellten Starfighter widerstehen. Doch Brunsbüttel, Isar 1, Philippsburg 1 und Biblis A würden durch jede Art von Flugzeugabsturz wahrscheinlich so stark zerstört, dass sie außer Kontrolle geraten könnten.

Für kommenden Dienstag hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erneut die Ministerpräsidenten der fünf Atom- Länder zu Beratungen über die Sicherheitschecks eingeladen. Und offenbar soll während des sogenannten Moratoriums auch mit den Betreibern diskutiert werden. Eines war aber am Freitag schon klar: Industrie und Betreiber haben trotz der andauernden Katastrophe in Japan wieder auf „Normalmodus“ geschaltet und verlangen den Weiterbetrieb der neueren wie der alten Atomkraftwerke. mit dapd

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