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Atomenergie: Angst vor Störfall – bei den Wählern

Angesichts der steigenden Energiepreise ist die Energiedebatte wieder voll entbrannt. Die CDU rudert im Streit um die Atomkraft zurück: Jetzt betont sie den Energiemix.

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Berlin - Die CDU fürchtet im Atomstreit offenbar die Rolle des Zauberlehrlings und geht deshalb sachte auf Distanz zu sich selbst. Vor drei Wochen hatte CDU- Generalsekretär Ronald Pofalla die Debatte um längere Laufzeiten für deutsche Atomkraftwerke noch mit dem markigen Bekenntnis „Kernkraft ist für die CDU Ökoenergie“ eingeleitet. Am Montag blieb Pofalla nach einer Schaltkonferenz des CDU-Präsidiums zwar in der Sache auf diesem Kurs, schlug aber weit moderatere Töne an: „Es geht weder um neue Kernkraftwerke noch darum, dass wir isoliert einen Energieträger in den Mittelpunkt stellen“, versicherte der CDU-General. Nötig sei vielmehr ein „breiterer Energiemix“, in dem die Atomkraft als „Brückentechnologie“ befristet noch eine Rolle spielen müsse – mehr aber auch nicht.

Hintergrund der taktischen Rückzugsbewegung ist erkennbar die Sorge, dass die Atomdebatte im Sommerloch außer Kontrolle gerät. Mit Sorge hat die Parteiführung Äußerungen etwa des baden- württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger, aber auch aus der CSU registriert, die im Atomstreit schon ein zentrales Thema für den Wahlkampf für 2009 sehen wollen. Denn einerseits sieht sich die CDU durch Umfragen ermutigt, die darauf hinweisen, dass längere Laufzeiten für bestehende Atomkraftwerke mehrheitsfähig sein könnten. Andererseits gilt diese – stark vom Energiepreisschock geprägte – Stimmung nicht als grenzenlos stabil. Merkel im Wahlkampf allzu stark als „Atomkanzlerin“ zu präsentieren, könnte sich als riskant erweisen.

Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn erklärte die Unionsvorstöße denn auch zur „klaren Kampfansage“ an schwarz-grüne Optionen. „Mit einer Partei – egal, mit welcher –, die wieder in die Atomkraft einsteigen will, werden wir nicht koalieren“, stellte er im ZDF klar. Kanzlerin Angela Merkel könne mit den Grünen Sondierungsgespräche führen, „aber wenn sie wieder in die Atomkraft einsteigen will, dann gehen die zehn Minuten“.

Aus solchen Äußerungen klingt weniger Ärger als Erleichterung. Schließlich bietet die Debatte den Grünen endlich wieder eine Möglichkeit zur Profilierung. Back to the roots. „Wir wissen, wer wir sind und wo wir herkommen“, sagt Kuhn, droht damit, dass man sich „auf der Straße wiedersehen“ könne, und gesteht rundheraus, die Auseinandersetzung mit einer „gewissen Lust“ anzunehmen.

Bei der SPD ist die weniger zu spüren. Generalsekretär Hubertus Heil bekräftigt zwar, dass man am geordneten Ausstieg festhalte – und nennt den Unionsversuch, Kernenergie als Beitrag zum Klimaschutz zu verkaufen, „blanken Unsinn“. Zudem sei Atomenergie weder beherrschbar noch billig. Gleichzeitig tut sich die Partei aber ungleich schwerer mit dem Problem der steigenden Energiepreise. So erwog ausgerechnet ihr sonst so sparsamer Finanzminister via „Bild“, den Bürgern die gestiegenen Heizkosten zu bezuschussen – was die SPD-Spitze am Montag prompt als Option begrüßte. Vizeregierungssprecher Thomas Steg indessen gab den Spielverderber und wies Steinbrücks Äußerungen als „persönliche Ideen“ zurück.

Die Linkspartei geht hier natürlich weiter. Sie fordert eine „Energiegrundsicherung“ und möchte für Familien verbilligte oder gleich kostenlose Stromkontingente. Mit ihrer Absage an längere Laufzeiten für Atomkraftwerke nämlich muss die Parteispitze bei der Basis noch ordentlich tingeln gehen. Nach einer Juniumfrage der „Leipziger Volkszeitung“ fordern 67 Prozent ihrer Anhänger nicht etwa den Ausstieg, sondern die stärkere Nutzung von Kernenergie. Auf einen derart hohen Wert kam keine andere Partei. Selbst bei der Union waren es „nur“ 61 Prozent.

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