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Auf diesem Satellitenfoto von Planet Labs PBC ist das Kernkraftwerk Saporischschja in Enerhodar, Ukraine, am 2. September 2019 zu sehen.

© Planet Labs Pbc/Planet Labs PBC via AP/dpa

Atomenergiebehörde nennt Situation „unhaltbar“: Direkt an der Front – russische Truppen verschanzen sich in ukrainischem AKW

Das Kernkraftwerk Saporischschja liegt direkt an der Kampflinie in der Südukraine. Moskaus Armee hat dort Artillerie und Raketenwerfer stationiert.

Drei Tage lang wusste bei der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) vergangene Woche niemand, was im ukrainischen Kernkraftwerk Saporischschja vor sich geht. Überhitzt einer der sechs Reaktorblöcke? Gibt es andere technische Probleme? In der IAEA-Zentrale in Wien hätten sie aufgrund der unterbrochenen Datenübertragung wohl viel zu spät davon etwas mitbekommen.

Es kam glücklicherweise anders. Seit Samstagabend senden die Server aus Saporischschja wieder. Das AKW läuft aktuell „störungsfrei“. Und doch ist der Datenblackout ein weiteres Beispiel für die äußerst angespannte Situation rund um das Kraftwerk, das seit Anfang März von russischen Truppen besetz ist.

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Wie die US-Zeitung „Wallstreet Journal“ berichtet, nutzt die russische Armee das Kraftwerk als Truppenstandort – im Wissen, dort vor ukrainischen Gegenangriffen geschützt zu sein.

Das AKW liegt am südlichen Ufer des Flusses Dnepr und damit direkt am aktuellen Frontverlauf. Auch russische Artillerie-Geschütze befinden sich mittlerweile auf dem AKW-Gelände und werden von dort abgefeuert. Neben mehreren Panzern steht dort auch ein Mehrfachraketenwerfer des Typs BM-30.

Das AKW könnte vor allem in der beginnenden Offensive der ukrainischen Truppen im Süden des Landes unter Feuer geraten. Auch explodierende Munition der Russen könnte zu einer Katastrophe führen.

Ein russischer Soldat vor dem ukrainischen Kernkraftwerk in Saporischschja.
Ein russischer Soldat vor dem ukrainischen Kernkraftwerk in Saporischschja.

© Imago/ Konstantin Mihalchevskiy

Den Reportern des „WSJ“ zufolge hat sich das AKW-Gelände inzwischen in eine Festung verwandelt, umgeben von Schützengräben und patrouillierenden Soldaten mit ihren Militärhunden. "Sie halten es wie einen Stützpunkt für ihre Artillerie" zitiert die Zeitung einen Beamten aus Saporischschja. Die Stadt selbst wird weiter von der Ukraine gehalten.

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Neben der militärischen Zweckentfremdung gefährdet auch die Behandlung der AKW-Mitarbeiter durch die russischen Soldaten den reibungslosen Betrieb der Anlage. Mehr als 40 von ihnen sollen derzeit als Geiseln gehalten werden, um von ihren Familien Lösegeld zu erpressen.

Gleichzeitig sollen Kollegen dadurch gezwungen sein, Überstunden zu arbeiten, um das Kernkraftwerk am Laufen zu halten. Das „WSJ“ berichtet zudem von Gewaltanwendung gegenüber einigen Mitarbeitern.

Auch die IAEA blickt mit zunehmender Sorge auf die Situation in dem besetzten AKW. Am vergangenen Donnerstag hatte sie mitgeteilt, sie bereite „aktiv“ einen Besuch von Experten vor - trotz des Widerstands der ukrainischen Behörden.

IAEA-Chef bezeichnet Lage vor Ort als „unhaltbar“

IAEA-Chef Rafael Grossi bezeichnete die Lage vor Ort zuletzt als „unhaltbar“. So würden wichtige Wartungsarbeiten an dem AKW ständig verschoben und wesentliche Geräte nicht geliefert, was zu einem erhöhten Unfallrisiko führe. Die ukrainische Regierung hatte am Mittwoch einen Besuch von IAEA-Vertretern des AKW Saporischschja abgelehnt, solange dieses von russischen Truppen besetzt sei.

Möglich sei ein solcher Besuch erst, wenn die Ukraine wieder die Kontrolle über die Anlage habe, erklärte Energoatom. Die ukrainische Atombehörde argumentierte, ein Besuch von IAEA-Experten könne die „Präsenz“ der Besatzer legitimieren. (bhi/AFP)

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