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Atomexperte Knebel: Geschmolzene Hüllrohre und Salzkrusten

Die Kühlung der Atomreaktoren in Fukushima bleibt der neuralgische Punkt des Krisenmanagements. Joachim Knebel, Leiter des Nuklearen Sicherheitsforschung am Karlsruher Institut für Technologie, erklärt die Lage.

Berlin - Erst wurden die Reaktorgebäude mit Wasser gekühlt, das jetzt wieder abgepumpt werden muss, weil es kontaminiert ist. Dann verkrusten die Anlagen, weil zum Kühlen Salzwasser genutzt wurde. Beide Probleme klingen vermeidbar, im Fall Japan gab es aber keine Alternative, sagt Joachim Knebel, Leiter der Nuklearen Sicherheitsforschung am Karlsruher Institut für Technologie.

„Normalerweise hätte man die Reaktoren mit einem geschlossenen Kühlkreis abgekühlt“, sagt Knebel. Ein solcher Kühlkreis funktioniert ähnlich wie der Kühler eines Autos. Das heißt, das Kühlwasser bleibt im Kreislauf und nur Wärme wird in die Umwelt abgegeben – und damit keine radioaktiven Teilchen. Da die Notkühlsysteme im Atomkraftwerk Fukushima aber zerstört sind, mussten die Reaktoren mit Meerwasser besprüht werden. Die Kühlkreise werden derzeit repariert. „Die Kühlkreise werden gebraucht, sie sind das A und O“, sagt Joachim Knebel. Gekühlt werden müssten die Reaktoren jetzt aber in jedem Fall weiter, auch wenn es dann wieder abgepumpt wird. „Die Reaktoren sind so heiß, dass es sonst unweigerlich zu einer Kernschmelze kommen würde.“ Dass die Kernschmelze tatsächlich schon eingetreten ist, bezweifelt der Experte. „Die Hüllrohre sind zum Großteil zerstört, aber inwiefern der Brennstoff selbst geschmolzen ist, wissen wir nicht.“

Die Kühlung erfolgt mittlerweile nicht mehr mit Salz-, sondern mit Süßwasser, weil das Salz die Anlagen verkrustet. „Man hätte sicher gleich Süßwasser genutzt, wenn das Leitungsnetz nicht durch den Tsunami zerstört gewesen wäre“, sagt Knebel. Die Frage ist jetzt, wohin mit dem radioaktiv belasteten Wasser nach dem Abpumpen. Auf jeden Fall muss man es laut Knebel zwischenlagern und später dekontaminieren. Wo es allerdings gelagert werden soll, ist unklar.

Ebenso ungeklärt ist auch die Frage, wie lange die Krise in Japan noch anhalten wird. Der Atomkonzern Tepco stellt noch kein Ende der Krise in Sicht, und auch Knebel hält sich mit seiner Einschätzung zurück: „Das hängt ganz davon ab, wie die langfristige Kühlung gelingt.“

Mehr leisten als das, was das Katastrophenmanagement derzeit in Japan tue, könne man nicht, sagt er. Eine Forderung, wie die von Greenpeace, den Evakuierungsumkreis von 20 auf 40 Kilometer zu erhöhen, hält Knebel derzeit nicht unbedingt für notwendig. Es lasse sich nicht pauschal sagen, dass alle Gebiete im Umkreis des Kernkraftwerkes gleich stark betroffen sind. Mit einem speziellen Rechenprogramm konnte Sicherheitsforscher Knebel feststellen, wann und wo sich wie viele radioaktive Teile absetzen. „Es gibt Gebiete, die sind weniger betroffen, und es gibt Gebiete, die 40 Jahre oder länger nicht mehr bewohnbar sind.“

Auch die Gefahr, dass sich die Radioaktivität bis in die Hauptstadt Tokio ausbreitet, ist noch nicht gebannt. Das hängt davon ab, ob im Kraftwerk noch eine Druckentlastung vorgenommen wird und wie der Wind steht, der die radioaktiven Teilchen verbreitet. „Das Schlimme ist, dass wir aufgrund der spärlichen Datenlage über die tatsächlichen Zustände in den Reaktoren oftmals nur spekulieren können“, sagt Knebel.

Sollte eine vollständige Kernschmelze eintreten, könnte sich der Schmelzbrei nämlich bis ins Grundwasser fressen. Das könne laut Knebel innerhalb von Stunden oder Tagen passieren. Dass die Strahlung im Druckbehälter des Reaktors bleibt und sich nicht weiter ausbreitet, wäre nur möglich, wenn eine Kernschmelze ausbleibt.

Sabrina Gebauer

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