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Topthema in Seoul: Die gegenseitigen Drohungen von Donald Trump und Kim Jong-Un.

© JUNG Yeon-Je/AFP

Update

Atomkonflikt mit USA: Wie groß ist die Gefahr eines Krieges mit Nordkorea?

Der Nordkorea-Konflikt eskaliert: Donald Trump droht mit "Feuer und Zorn", Kim Jong Un mit einem Angriff auf die Insel Guam. Eine Analyse.

Der Krieg der Worte wird schärfer. US-Präsident Donald Trump droht Nordkorea mit „Feuer und Zorn“. Staatschef Kim Jong Un droht mit einem Angriff auf den US-Stützpunkt Guam im Pazifik. Trumps Verteidigungsminister James Mattis warnt Pjöngjang daraufhin vor Aktionen, die "zu einem Ende des Regimes" und zur "Vernichtung ihres Volkes" führen könnten. Parallel bemüht sich US-Außenminister Rex Tillerson weiter um Verhandlungen über den Atomkonflikt. Für Trump-Kritiker in den USA legt die Krise interne Differenzen in der US-Regierung und Schwächen von Trump als Oberbefehlshaber der größten Militärmacht der Erde offen – mit potenziell negativen Folgen für die US-Politik in anderen Teilen der Welt.

Was war der Auslöser der jüngsten Eskalation?

Nordkorea provoziert die USA schon länger mit Raketentests und der Arbeit an Atomsprengköpfen, die auf Interkontinentalraketen zum Einsatz kommen sollen. Versuche der USA, über China Druck auf Nordkorea auszuüben, zeigen bisher keinen Erfolg. Der UN-Sicherheitsrat hatte am Wochenende schärfere Sanktionen beschlossen, um Nordkorea von seinem verbotenen Atomprogramm abzubringen. Pjöngjang droht mit Vergeltung. Der Streit ist der schärfste zwischen zwei Atommächten seit der Kuba-Krise 1962.

Nordkorea ist mit seinem Atomprogramm möglicherweise weiter, als bisher angenommen wurde. Vor wenigen Wochen hatte Nordkorea erstmals eine Rakete getestet, die theoretisch die USA erreichen könnte. Das US-Verteidigungsministerium analysiert laut „Washington Post“, Nordkorea habe Atomsprengköpfe für Interkontinentalraketen entwickelt und verfüge über bis zu 60 Nuklearwaffen. Offen ist, ob Nordkorea auch das Problem gelöst hat, die Atomsprengköpfe gegen die enorme Hitze beim Wiedereintritt von Interkontinentalraketen in die Erdatmosphäre zu schützen.

Besteht die Gefahr eines Atomkrieges?

Trump sagte in seinem Urlaubsdomizil in Bedminster in New Jersey, Nordkorea lege eine bedrohliche Haltung an den Tag. „Sie werden auf Feuer und Zorn treffen und offen gesagt auf eine Macht, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat.“ Laut Medienberichten betrachtet die US-Regierung einen – möglicherweise atomaren – Präventivschlag gegen Nordkorea als eine Option. Amerikanische Raketen, Bomben und Marschflugkörper könnten auf nordkoreanische Raketensilos, Abschussrampen und Befehlszentralen zielen, um Pjöngjang die Möglichkeit zu nehmen, seinerseits mit Raketen anzugreifen. Trump lobte am Mittwoch ausdrücklich die Stärke der amerikanischen Atomwaffen.

Wahrscheinlicher als ein Atomkrieg ist jedoch ein Krieg mit konventionellen Waffen. Er hätte verheerende Folgen vor allem für Südkorea und andere Länder der Region. Die südkoreanische Hauptstadt Seoul mit ihren rund zehn Millionen Menschen liegt in der Reichweite der nordkoreanischen Artillerie. Auch der US-Verbündete Japan könnte von nordkoreanischen Geschossen getroffen werden. Die USA und ihre Alliierten haben moderne Radar- und Raketenabwehrsysteme in der Region stationiert. Ob sie im Falle eines Krieges ausreichen, um Südkorea und Japan zu schützen, ist jedoch offen.

Was steckt hinter den nordkoreanischen Drohungen?

Das international isolierte Regime von Kim Jong Un, das sich seit dem Ende des Korea-Krieges von 1953 auf dem Papier immer noch im Kriegszustand mit Südkorea befindet, sieht sich von Feinden umringt und betrachtet sein Atomarsenal als Versicherung gegen einen amerikanischen Angriff. Nach Trumps „Feuer und Zorn“-Äußerung drohte Pjöngjang mit einem Angriff auf die US-Militärbasis Guam. Die Pazifikinsel liegt rund 3500 Kilometer von Nordkorea entfernt und damit in Reichweite von Kims Raketen.

Wird Trump jetzt zuschlagen?

Die USA wollen glaubwürdig drohen, aber eine unkontrollierbare Spirale der Gewalt vermeiden. Außenminister Tillerson, zur Zeit auf einer Reise in Südostasien, betonte, Trump habe nicht mit einem Militärschlag drohen wollen, sondern lediglich „eine Sprache benutzt, die Kim Jong Un versteht“. Die Amerikaner „können auch weiter ruhig schlafen“. Es gebe keine unmittelbare Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung. Nach Informationen aus Regierungskreisen haben die USA bislang auch keine zusätzlichen Kräfte in die Region um Nordkorea verlegt. Die Bewertung der Bedrohungslage habe sich ebenso wenig geändert.

Frühere US-Präsidenten hatten ebenfalls eine Doppelstrategie verfolgt und sich einerseits an internationalen Verhandlungen mit Nordkorea unter chinesischer Vermittlung beteiligt, andererseits gedroht, die atomare Aufrüstung Nordkoreas notfalls militärisch zu verhindern. Der Demokrat Bill Clinton warnte 1993 in der demilitarisierten Waffenstillstandszone zwischen Nord- und Südkorea: Falls der Norden jemals eine Atomwaffe einsetze, „wäre dies das Ende ihres Landes“. Zugleich wird Präsident Trump für seine harte Wortwahl kritisiert. Seine Rhetorik gehe weit über die seiner Vorgänger hinaus, analysiert die „New York Times“.

Mehrere Experten betonen, Trumps Drohungen zielten nicht auf Nordkorea. Der Präsident wolle vielmehr China den Ernst der Lage klarmachen. Peking müsse mehr unternehmen, um Nordkorea zur Aufgabe des Atomprogramms zu bewegen, sagte der Politologe Joseph Nye Jr. der „New York Times“.

Welche Ziele verfolgt China?

Peking hatte das Kim-Regime lange in Schutz genommen. Die Geduld mit Nordkorea ist aber offenbar begrenzt. China stimmte im UN-Sicherheitsrat für neue Sanktionen und trifft sich damit auch selbst. 90 Prozent des Nordkorea-Handels laufen über China. Peking hat kein Interesse, dass Nordkorea reguläre Atommacht wird. Es will aber auch einen Sturz des Kim-Regimes vermeiden. Denn dann würden wohl Millionen Flüchtlinge aus dem verarmten Nachbarland nach China strömen. Zudem wäre dann eine Wiedervereinigung Koreas unter Führung des westlich orientierten Südkorea wahrscheinlich. Der Pufferstaat Nordkorea entfiele, US-Truppen stünden unmittelbar an Chinas Grenze.

Was bedeutet die Entwicklung für die künftige US-Politik?

Trump bemüht sich seit Monaten, China zu mehr Kooperation im Nordkorea-Konflikt zu bewegen, und ist enttäuscht über die Ergebnisse. In der Drohung mit „Feuer und Zorn“ drückt sich auch seine Frustration aus. Ob er Krieg führen würde, ist unklar. Im April hatte er mit einem Raketenangriff auf eine Luftwaffenbasis in Syrien gezeigt, dass er grundsätzlich zum Einsatz militärischer Gewalt bereit ist. Mit Blick auf Nordkorea hat er bisher nichts Konkretes unternommen, was auf eine Militäraktion hindeutet, schreibt der „New York Times“-Journalist Max Fisher. Das könnte dazu führen, dass Nordkorea Trumps Worte als „weitgehend bedeutungslos“ ignoriere.

Trumps Wortwahl trifft parteiübergreifend auf Kritik in Washington. Der republikanische Senator John McCain sagte, Staatsmänner dürften nur mit Aktionen drohen, die sie notfalls wahrmachen. Er bezweifle, dass Trump tun wolle, was er ankündige. Die demokratische Senatorin Dianne Feinstein kritisierte, die „bombastische“ Stellungnahme des Präsidenten sei in der derzeitigen Krise nicht hilfreich.

Trump hat sich mit seiner Rhetorik in eine Entweder-Oder-Position manövriert. Setzt er militärische Mittel gegen Nordkorea ein, riskiert er eine Eskalation, die vielleicht nicht zu kontrollieren ist. Bleibt er trotz seiner markigen Worte untätig, beschädigt er seine Glaubwürdigkeit.

Falls sich Trumps Drohung mit „Feuer und Zorn“ als Bluff entpuppen sollte, werde es für die USA bei anderen Krisen in der Zukunft schwieriger, einen Kontrahenten glaubhaft zu warnen, schreibt der Politologe Henry Farrell von der George-Washington-Universität, die ihren Sitz in der Hauptstadt hat, in der „Washington Post“. Insbesondere werde die Trump-Regierung Probleme haben, Nordkorea zu beeindrucken. (mit Reuters)

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