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Atomvogelscheuche vor gelben Fässern mit Radioaktivitätssymbol

© AFP

Atommüll: Endlagersuchgesetz gerettet, Zwischenlagerung vertagt

Die Ministerpräsidenten und die Kanzlerin haben den Streit über die Zwischenlager für 26 Castoren auf 2014 verschoben. Derweil wird von Montag an vor Gericht darüber verhandelt, ob das Zwischenlager Brunsbüttel überhaupt eine gültige Betriebserlaubnis hat.

Bund und Länder haben den parteienübergreifenden Endlagerkompromiss am Donnerstag gerade noch einmal über die Runden gerettet. Das mühsam eineinhalb Jahre lang ausgehandelte Gesetz soll nun wie geplant Ende des Monats im Bundestag und am 5. Juli im Bundesrat beschlossen werden. Allerdings wird die wichtigste Bedingung des Landes Niedersachsen für seine Zustimmung auf Anfang 2014 vertagt: Erst dann wollen die Beteiligten entscheiden, wohin 26 Castorbehälter mit hoch radioaktivem Atommüll aus den Wiederaufarbeitungsanlagen La Hague (Frankreich) und Sellafield (Großbritannien) gebracht werden. Denn Bestandteil des Endlagerkompromisses Anfang April war es, dass sie nicht mehr ins zentrale Zwischenlager Gorleben rollen, wo aktuell bereits 113 Castoren aus der Wiederaufarbeitung stehen.
Lediglich Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg, Rot-Grün und Grün-Rot regiert, hatten sich bereitgefunden, Castorbehälter in den Standortzwischenlagern Brunsbüttel und Philippsburg aufzunehmen. In Brunsbüttel können aber nach Einschätzung des schleswig-holsteinischen Umweltministers Robert Habeck (Grüne) nicht alle 21 Castoren aus Sellafield untergebracht werden, sondern lediglich elf bis 15. Es braucht also ein weiteres Zwischenlager. SPD und Grüne auf der einen, CDU, CSU und FDP auf der anderen Seite konnten in der Debatte aber dem Wahlkampf nicht widerstehen: Hessen und Bayern, beide Schwarz-Gelb regiert, schlossen eine Unterbringung von Castorbehältern in ihren Standortzwischenlagern gleich kategorisch aus. Dafür forderten SPD und Grüne eine Zusage von einem der beiden Länder, in denen ebenfalls im September gewählt wird. Die Ministerpräsidenten und die Kanzlerin scheinen nun auf einen Regierungswechsel in Hessen zu hoffen, denn SPD und Grüne dort hatten ihre Bereitschaft erklärt, Castoren im Zwischenlager Biblis zu lagern.

Um Niedersachsen dennoch zu überzeugen, dem Gesetz zuzustimmen, soll nun noch der Satz aufgenommen werden, dass die besagten Castoren nicht in Gorleben zwischengelagert werden sollen. Und Teil des Kompromisses wird auch sein, dass der Steuerzahler für die Kosten aufkommen muss, die wegen des notwendigen Umbaus der vermutlich drei Zwischenlager nötig werden. Denn die Atomkraftwerksbetreiber haben sich geweigert, dafür zu bezahlen.

Womöglich hat die Vertagung der Frage aber auch einen weiteren Hintergrund, der nichts mit dem Wahlkampf zu tun hat. Am kommenden Montag und Mittwoch wird vor dem Oberverwaltungsgericht Schleswig erneut darüber verhandelt, ob das Zwischenlager in Brunsbüttel überhaupt über eine gültige Betriebserlaubnis verfügt. Sollte das Gericht gegen das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) entscheiden, ginge es in Sachen Castoren aus Sellafield nicht nur um eine Änderungsgenehmigung, sondern um ein ganz neues Genehmigungsverfahren. Und ob das bis 2015 abgeschlossen wäre, wenn die Transporte stattfinden sollen, ist fraglich.

Das BfS hatte die Genehmigung für die Errichtung des Zwischenlagers Brunsbüttel 2003 erteilt und für sofort vollziehbar erklärt. Ein Anwohner klagte 2004 dagegen, weil er befürchtete, dass das Zwischenlager nicht ausreichend gegen Terroranschläge geschützt sein könnte, beispielsweise mit einem Airbus A 380, der nicht weit davon entfernt gebaut wird, oder mit modernen panzerbrechenden Waffen. 2007 entschied das OVG Schleswig, dass der Kläger den Terrorschutz gar nicht einklagen dürfe, weil die betreffende Rechtsnorm nicht ihn, sondern lediglich die Allgemeinheit schütze. Das sah das Bundesverwaltungsgericht 2008 anders und verwies das Verfahren zurück ans OVG Schleswig. Weitere vier Jahre vergingen mit einem weiteren Rechtsstreit über die Frage, ob das BfS als „geheim“ eingestufte Unterlagen für das Gerichtsverfahren freigeben muss, was es nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht muss. Nun wird der Fall neu verhandelt. Vom Urteil hängt auch ab, wie weit der Endlagerkompromiss tatsächlich trägt.

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